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Alt 11.12.2008, 01:32   #2  
Anton
Kolumnist
 
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Ich kenne dieses beklemmende Gefühl von früher.

Ohne Ausnahme wurde jedes Telefonat zu mir nach Hause in Slowenien von wem auch immer mitgeschnitten. Es war völlig gleichgültig, über welches Thema ich mich mit meinem Gegenüber unterhielt.

Allerdings wurde es auch ausgewertet. Kurz vor meinem Abitur im Sommer 1972 brach ich mir ein Schienbein und konnte demnach in der anschließenden schulfreien Zeit nichts arbeiten. Deshalb fuhr ich schon bald danach nach Jugoslawien.

Nach Hause durfte ich noch, wurde aber vom Grenzübergang bis zur Wohnung eskortiert. Danach erfolgte die erste oberflächliche Befragung über meine Meinung zur damals sehr bekannten Baader-Meinhof-Gruppe. Und dann erhielt ich die Aufforderung, mich am darauffolgenden Tag früh bei der Dienstwache der politischen Polizei zur Unterredung zu melden.

Mir wurden ein Haufen Fragen gestellt, eigentlich völlig stupide, fortwährend identische. Und weil mir immer wieder die selben gestellt wurden, erkannte ich, was diese Befragung ausgelöst hatte.

Am Tag nach dem bestandenen Abitur führte ich ein Telefonat mit einem Bekannten, dem ich meinen Erfolg berichtete. Und mit genau diesem 'Freund' kam das Gespräch auf die 'Bombenleger' in Deutschland. Dabei fiel meine Aussage, dass eine derartige militante Opposition, mit allen Begleiterscheinungen, der jugoslawischen Regierung auch gut täte. War ja eine völlig hypothetische Aussage, einfach ins 'Blaue', ohne mich auf einen speziellen Fall zu beziehen.

Viele Jahre später, aber noch bevor Jugoslawien zerfiel, erhielt ich mein komplettes Dossier durch einen ranghohen politischen Offizier zum kurzen Durchlesen ausgehändigt. Darin konnte ich alle Telefongespräche nachlesen, die ich von 1968 bis spät in die 80er Jahre führte. Am Anfang war quasi jedes zweite von mir ausgesagte Wort rot unterstrichen. In jeder zweiten Zeile war am Blattrand ein Kommentar geschrieben, nach jedem Telefonat legte man eine Bewertung auf einem gesonderten Blatt mit in die Mappe. In den späten Jahren wurden nur meine Worte akribisch mitgeschrieben, ohne dass jemand einen Kommentar beisteuerte. Und dann war ich plötzlich nicht mehr interessant.

Der Initiator für diese Überwachung war nicht irgend ein völlig Unbekannter, nein! Der Sauhund, der dies zu verantworten hatte, war mein bis dahin bester Freund schon von Schulzeiten her. Und durch die Auswertung meiner Aussagen erhoffte er sich ein 'Sternchen' mehr auf der internen politischen Karriere. Ich weiss natürlich nicht, wieviel höher er gestiegen ist, ich sprach seitdem kaum ein Wort mit ihm. Allerdings meiden ihn die anderen Bewohner unseres Ortes ebenfalls.

Nachdem nun Slowenien einen eigenen Staat gebildet hat, erhielt er von der neuen Regierung ein Verbot auf Lebenszeit, sich politisch zu äußern. Ganz zufrieden ist er mit seiner heutigen Lage mit Sicherheit nicht, ich habe ihn schon mehrfach völlig zugedröhnt am Tresen mehrerer Lokale stehen bzw. sitzen gesehen.

Meine Aussagen sind alle nicht so weltbewegend und meines Erachtens nach absolut unbedeutend, so dass ich heute kein schlechtes Gewissen habe und wirklich ruhig schlafen kann.

Geändert von Anton (11.12.2008 um 12:10 Uhr) Grund: Schreibfehler rigoros ausgemerzt!
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