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Alt 20.04.2009, 20:48   #107  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard 30 Jaar Bronzen Adhemar

Am Wochenende habe ich ausgiebig den obigen Band studiert: 80 Seiten, gebunden, vierfarbig und vergleichsweise billig: 10 Euro! Ladenpreis. - Eine bessere Möglichkeit, sich rasch und doch fundiert in die Geschichte des flämischen Comics seit 1977 einzuarbeiten, gibt es nicht. Für meine Begriffe schon jetzt ein Klassiker! 10.0/10.0

Ähnlich wie bei den französischen Kollegen, die 2007 eine Gewerkschaft gegründet haben und seither offensiv ihre Rechte einfordern, lesen sich auch die Interviews oder Berichte über die Preisträger ernüchternd. Was von außen als eines der Comic-Paradiese erscheint, stellt sich sogar dort als Knochenjob dar: Der große Markt besteht in erster Linie für Klassiker und Familienstrips (z.B. die Serien von Studio Vandersteen & Co.: Suske & Wiske, Nero, Jommeke etc.); Erwachsenencomics werden häufig (wie bei uns) auf Sex und Gewalt reduziert und künstlerische Comics laufen in niedrigen Auflagen, werden aber als obskures Zeug für Spezialisten betrachtet - einmal fällt die Zahl von insgesamt 5000 harten Comicfans! Wer von Comics leben will, muß mindestens fünf! Alben pro Jahr herausbringen. Johan de Moor (der Sohn von Bob) erzählt, durch den Preis seien 5000 Alben mehr! verkauft worden, damit ist er jedoch die Ausnahme: Für Vance waren die 700 beim Festival in Turnhout von ihm signierten Exemplare das einzige Zusatzgeschäft, die meisten spüren nichts. Hinzu kommt der Bruderzwist: Wer das Pech hat, vorwiegend im französischen Teil Belgiens zu veröffentlichen, muß damit rechnen, daß die wallonischen Verantwortlichen den Preis konsequent ignorieren! Dabei blicken die Niederländer neidisch nach Belgien, weil Comics dort annähernd den Status haben wie Mangas in Japan: staatlich anerkannt, ein breites Themenspektrum. Die jungen Belgier haben jedoch Angst, sich gegenseitig das Wasser abzugraben und sehen eher den großen Nachbarn Frankreich als Comic-Großmacht. Die Tage von Hergé und Franquin sind unwiderruflich vorbei! Der Beruf ist ein Knochenjob, bei dem der bescheidene Wohlstand eines Eigenheims hart erarbeitet wird. Als Selbständige tragen sie das Risiko, durch Krankheit, Alter etc. ihren Besitz zu verlieren und in der Sozialhilfe zu landen, weshalb sie um eine bessere Absicherung kämpfen!

Jetzt zum Drumherum: Festivals, Preise, Subventionen und die gesamte derzeit bestehende Infrastruktur ist das Ergebnis harter, meist freiwilliger, unbezahlter Arbeit von wenigen Verrückten (quasi den Geistesverwandten von Leuten wie Gerhard Förster und Mick Baxter), die immer mal wieder auf der Kippe stand und steht. Rückblickend betrachtet ist es eine fast unwahrscheinliche Reihe von Zufällen, die zu den vergleichsweise beneidenswerten Zuständen in Belgien geführt haben.

Geändert von Servalan (21.04.2009 um 15:05 Uhr) Grund: Danke, Mick Baxter
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