Thema: Filmklassiker
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Alt 22.04.2024, 06:17   #2039  
Peter L. Opmann
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Gestern abend wollte ich etwas Leichtes sehen. Also habe ich „Rocketeer“ (1991) von Joe Johnston ausgewählt. Ich kenne den Comic von Dave Stevens (einen zum Filmstart erschienenen Grafton-Sammelband), aber den Film habe ich jetzt zum ersten Mal gesehen. Ich habe ihn mal als Kaufcassette auf dem Flohmarkt erworben. Einen Vergleich von Comic und Film schenke ich mir; dafür müßte ich auch den Comic nochmal genau lesen. Aber der Film ist auch so ein paar Anmerkungen wert. Es war für mich keine schlechte Unterhaltung, aber man sollte sich über die Plausibilität der Handlung nicht allzu viele Gedanken machen. „Postmodern“ ist vielleicht eine zu anspruchsvolle Einordnung, aber der Film rührt leichtfertig Versatzstücke einer Superheldenstory (aus dem Golden Age), des Gangster- und Fliegerfilms und eines Films im Film mit vielen Insider-Anspielungen zusammen, und da knirscht es öfters in der Konstruktion. Beim Comic habe ich das einstmals nicht so empfunden.

Der Film spielt 1938, also kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Es gibt ziemlich viele Akteure: Mitglieder einer kleinen privaten Fluggesellschaft (in einer Zeit, als Fliegen noch nicht sehr sicher war), das FBI, eine Gangsterbande und einen Nazispion, der sich als Hollywoodstar tarnt, mit etlichen Nazischergen im Hintergrund. Eine Sonderrolle spielen ein riesenhafter Schläger (Tiny Ron Taylor) auf Seiten der Nazis und der Millionär und Flugzeugnarr Howard Hughes (Terry O’Quinn). Held des Films ist ein Fliegeras (Bill Campbell), das um die Liebe seines Lebens (Jennifer Connelly) kämpfen muß. Diese Figuren alle unter einen Hut zu bekommen, erfordert ziemliche Verrenkungen in der Story.

Campbell übt für einen US-Flugwettbewerb, als er zufällig auf eine seltsame Maschine stößt, die sich als auf dem Rücken tragbares Raketentriebwerk entpuppt. Bald schon stellt sich heraus, daß sowohl eine Gangsterbande als auch das FBI hinter dem Gerät her sind. Campbell probiert es heimlich aus und wird damit zum Rocketeer. Die Gangster finden heraus, daß Campbell im Besitz des Fluggeräts sein muß und daß Connelly seine Freundin ist. Filmstar Timothy Dalton (seine Rolle spielt auf Errol Flynn an) macht sich an sie heran, und sie gibt ihrem Flieger deshalb zunächst den Laufpaß. Ihr wird jedoch am ersten Abend mit Dalton klar, daß er ein Nazi ist. Dalton kidnappt sie und will so Campbell zwingen, ihm das Raketentriebwerk zu übergeben.

Es wird klar, daß es sich um eine Geheimwaffe für den bereits von allen erwarteten Zweiten Weltkrieg handelt. Die Deutschen haben allerdings das Problem, daß das Gerät in Betrieb sehr heiß wird, nicht gelöst, dafür aber Howard Hughes, der einen ähnlichen Apparat konstruiert hat – den sich nun alle unter den Nagel reißen wollen. Dalton und Campbell vereinbaren die Übergabe gegen die Freilassung von Connelly. Der Nazispion will sich anschließend mit einem Zeppelin aus dem Staub machen. Doch Campbell gibt das Triebwerk nicht heraus, wird erneut zum Rocketeer und kämpft im und auf dem Zeppelin gegen die Nazibande. Die Gangster haben zuvor die Seiten gewechselt, da sie nicht wußten, daß sie für Nazis arbeiten. Im Verlauf des Kampfs gerät das wegschwebende Luftschiff in Brand. Dalton bringt das Triebwerk an sich und will damit den Zeppelin verlassen. Aber nun explodiert es in der Luft, während Campbell und Connelly sich in Sicherheit bringen können.

Dieser wilde Genremix, der im Comic längst nicht so weit getrieben wird, geht klar auf Kosten der Story. Denkt man nicht so viel über Logik nach, dann ist der Film ganz vergnüglich. Aber auf jeden Fall wird klar, daß die Geschichte nur Vorwand für Action und Effekte ist. Die sind immerhin handwerklich ordentlich gelungen. Obwohl die Figuren allesamt nur Klischees sind, wirken sie beim Herumzappeln ganz sympathisch. Allerdings hätte ich Betty Page, die Stevens wiedereingeführt hatte, noch lieber gesehen als die recht attraktive Jennifer Connelly. Der Film, eine Disney-Produktion (Touchstone Pictures), hat eine interessante Entstehungs- und Produktionsgeschichte, die man in der englischen wikipedia nachlesen kann. Ich lerne so allmählich, daß man die dort angegebenen Produktionskosten und Einspielergebnisse nicht einfach als Umsatz minus Kosten gleich Gewinn betrachten darf. „Rocketeer“ hatte keine großen Stars, konnte dennoch 1991 an der Kinokasse mit Kevin Costners „Robin Hood“ und „City Slickers“ beinahe mithalten, erfüllte aber insgesamt nicht die wirtschaftlichen Erwartungen. Es waren zwei Fortsetzungen geplant, die dann beide nicht realisiert wurden.
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