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Alt 05.10.2016, 09:32   #169  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Der Freiheit eine Gasse


Nordamerika erkämpft seine Unabhängigkeit





Der 14. Juli 1789, der Tag an dem die Bastille gestürmt wurde, gilt gemeinhin als Beginn der französischen Revolution. In der Bevölkerung gebrodelt hatte es indes schon jahrelang zuvor. Den Menschen des 3. Standes, den Bauern und Handwerkern, ging es im 18. Jahrhundert kontinuierlich schlechter. Allein der Brotpreis, deren Hauptnahrungsmittel, stieg in dieser Zeit auf das dreifache und bedeutete für Handwerker die Hälfte des zur Verfügung stehenden Einkommens. Die Gründe waren vielfältig: Die Verschwendung des Adels/Klerus´, die ungeheuren Ausgaben für das Militär (ein Viertel des Budgets), die Kosten der Verwaltung (~20%), Abzahlung von Staatsschulden, Naturkatstrophen (die sogenannte „kleine Eiszeit, ein Vulkanausbruch auf Island), all das bedeutete für den normalen Bürger ein Leben am, bzw. unter dem Existenzminimum.

Im Grunde war es eine Kettenreaktion, die den gesamten europäischen Kulturkreis erfasste: der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763), hauptsächlich zwischen England und Frankreich, führte zum Verlust der französischen Kolonien in Nordamerika*. Allerdings verschlang dieser Krieg ungeheuer viel Geld – neben unzähligen Menschenleben, ruinierte die französischen Finanzen (siehe oben) und verschonte auch den englischen Haushalt nicht. Die Engländer erhöhten daraufhin die Steuern, besonders in den Kolonien. Dies missfiel den Menschen, wie eh und je auf dieser Welt. Das Fass zum Überlaufen brachte die Einführung einer Teesteuer.





Am 16. September 1773 klettern junge Leute auf einen Schoner, die Dartmouth, die Tee aus Indien herangebracht hatte. Unter dem Jubel der „Bostoniens“ warfen sie die ganze Ladung ins Hafenbecken. Das ganze Geschehen ging als „Boston Tea Party“ in die Geschichtsbücher ein.**






Als ich 1992 das erste Mal in Boston war, lag dieses Schiff als Replik der Dartmouth beim Boston Tea Party Ship and Museum. Ein paar Jahre später fanden wir es nicht mehr vor, es war abgebrannt und man diskutierte lange über die Kosten einer Neu-Rekonstruktion. Inzwischen soll ein neues Tea Ship vor Anker liegen, allerdings nicht die Dartmouth, sondern eines aus der Flotte der sogenannten Tee-Schiffe.

Auf die englische (Über-) Reaktion für dieses und ähnliche Vorkommen, angedacht war die Schließung des Bostoner Hafens, oder sogar dessen Zerstörung, trat vom 5. September bis zum 25. Oktober 1774 der Erste Kontinentalkongress in Philadelphia zusammen. Es nahmen 12 Neu-England-Staaten teil und sie beschlossen, bei der Beibehaltung dieses englischen „Intolerable Acts“ keine Waren mehr nach den britischen Inseln mehr zu liefern. Gleichzeitig bereiteten die Beteiligten, u.a. George Washington, John Paine, Samuel Adams den 2. Kontinentalkongress vor. Dazu luden sie zum 10 Mai 1775 auch Québec, Saint John’s Island, Nova Scotia, Georgia, Ostflorida und Westflorida mit ein, sich zu beteiligen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt also die Möglichkeit, das auch die kanadischen Atlantikprovinzen heute zu den USA gehören würden. Aber bis auf Georgia lehnten diese Kommentarlos ab, auch die beiden Floridas, seit 1763 britisch. Hier enthält der entsprechende Text im Heft einen, sicherlich unabsichtlichen, Fehler. Er verortet Philadelphia in Massachusetts statt in Pennsylvania.

Der Zweite Kontinentalkongress tagte vom 10. Mai 1775 bis zum 1. März 1781, allerdings nicht ununterbrochen zudem in verschiedenen Städten. Georgia nahm hier als dreizehnte Kolonie teil. Auf Grund der englischen Weigerung, dass Selbstbestimmungsrecht, also eine Regierung für die amerikanischen Kolonien zu tolerieren, unterschrieben am 4. Juli 1776 die anwesenden Vertreter die formale Unabhängigkeitserklärung der 13 Kolonien.
Die Engländer sahen dem Treiben der Kolonisten natürlich nicht tatenlos zu und entsandten Truppen in die Kolonien. Ein erstes Ziel war Massachusetts. Dort sollte eine Abteilung Soldaten in Concord nach dort versteckten Waffen, Pulver und Munition suchen. Als sie am 18/19. April 1775 den Ort Lexington erreichten, kam es zu einem ersten Gefecht zwischen den Kolonisten und Engländern. Es ging für die Engländer schlecht aus, sie zogen sich nach Boston zurück.






Am 10. Mai 1775 drangen 80 Kolonisten in das Fort Ticonderoga ein und überwältigten die Besatzung (die wegen des bisher nicht offiziell erklärten Kriegszustandes keine Wachen aufgestellt hatte). Die Kanonen sowie die Munition und das Pulver kam den Aufständischen zugute, da sie so gut wie keine Artillerie vorweisen konnten.






So sieht das Fort Ticonderoga tatsächlich aus, Bood schien kein Referenzmaterial zur Verfügung gehabt zu haben. Ansonsten hatte er über die Vorgänge eingehend recherchiert, was aber selbst in der Nicht-Google-Zeit zu diesem Thema nicht so schwierig gewesen sein dürfte.

Im folgenden finden sich im Heft stark gerafft die Abläufe der Schlachten, die Niederlagen und Siege der Kontrahenten. Es werden die „Hessischen Söldner“ erwähnt, die Rolle von Steubens, einem preußischen General, der die Revolutionsarmee reorganisierte und letztlich auch die erst heimliche, dann offene Hilfe der Franzosen (und Spanier), die sich für die Verluste Kanadas (und Menorcas) revanchieren zu gedachten.





Als die Engländer New York eroberten, drängten sie Washingtons Leute bis zum Delaware River zurück. Dort gelingt es diesen, sich trotz des Winters über den Fluss zu retten, sonst wäre es wahrscheinlich um den Erfolg des Unabhängigkeitskampfes schlecht ausgegangen.





Bood kopierte hier das berühmte Gemälde von Emanuel Leutze, 1851. Leider wird das nicht erklärt, aber dazu stand wohl nicht der Platz zur Verfügung.

Insgesamt versuchte Bood die zeitlichen Abläufe, die sechs Jahre lang dauerten. in einem Heft unterzubringen … ist natürlich ein von vorn herein hoffnungsloses Unterfangen (wie schon des Öfteren in dieser Heftreihe). Es gelang ihm trotzdem, verständlich die wichtigsten Ereignisse vor den Augen des Lesers abzuspulen.

Am 19. September 1781 kam es bei Yorktown / Virginia zu einem letzten Gefecht. Die Engländer landeten noch einmal 8000 Soldaten und hofften auf einen Überraschungseffekt. Sie hatten sich verkalkuliert, die Amerikaner griffen überraschend an und vernichteten – was für ein schreckliches Wort in diesem Zusammenhang - nach gut einer Stunde die letzte Einheit der Engländer auf amerikanischem Boden.

Das Heft endet auf der letzten Comic-Seite mit der am 30. November 1782 erfolgten Unterzeichnung des Friedensvertrages, in dem den 13 Kolonien die völlige Unabhängigkeit vom britischen Mutterland bestätigt wurde. Nicht nur dieses Gebiet verloren die Engländer, auch das restliche Territorium bis zum Mississippi überließen sie den US-Amerikanern (Florida und Menorca kamen an Spanien zurück).

Erst am 17. September 1787 einigten sich die Vertreter der Unionsstaaten auf eine Verfassung und wiederum weitere zwei Jahre später wurde George Washington von den Wahlmännern zum ersten Präsidenten der USA gewählt. Die Gründe für den langen Zeitraum für die Ausarbeitung der Verfassung lag u.a. in der Menschenrechtssituation der Sklaven. Die Südstaaten drohten damals schon mit einer Sezession, wenn ihre Sklavenhalterwirtschaft nicht toleriert werden würde. Als Kompromiss wurden die Sklaven zum Teil (!?) als Bevölkerungsanteil mitgezählt, was sich auf die Anzahl der Wahlmänner niederschlug. Dieser „Geburtsfehler“ der USA sollte wenige Jahrzehnte später in einem erbitterten Bürgerkrieg münden, der ein weiteres Thema in der Heftreihe der Abenteuer der Weltgeschichte wird.

Die Heftseiten 3 und 4 beinhalten in reiner Textform das Leben und Wirken von Georg Washington für die USA. Auch dieser Artikel ist recht gut recherchiert und schildert, manchmal recht pathetisch, sein Leben.
Auf den Seiten 29 bis 31wird eine Erzählung über ein „Wettrennen auf dem Mississippi“ von Charles Sealsfield vorgestellt. Sie hat mit dem Thema des Heftes nichts zu tun, außer dass sie in den USA spielt.

Interessanter dagegen ist der halbseitige Artikel auf der Seite 32, der Betsy Ross vorstellte, die die erste Flagge der USA zusammen nähte.

Das folgende Heft, auf der 3. Umschlagseite vorgestellt, behandelt einen Aufstand der Unterprivilegierten, den der Bauern im Heiligen Römischen Reich des 16. Jahrhunderts.

Die letzte Seite zeigt diesmal einen englischen Infanteristen um 1776, von Hansrudi Wäscher für die Peligom-Reklame gezeichnet.

*Bis auf einige winzige Inseln, bei Neufundland gelegen, die noch heute französisches Territorium sind.

Siehe zu diesen Ereignissen auch Heft 57 „Die Guillotine regiert“. Im Grunde hätte ich beide Hefte nebeneinander abhandeln können, sie eng sind die geschichtlichen Abläufe miteinander verwoben. Deshalb auch die von mir gewählte Einleitung über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

**Die neuzeitliche „Tea Party-Gesellschaft“ sperrt sich vehement gegen sozialen Fortschritt, so z.B. eine Grundkrankenversicherung für die verarmte Bevölkerung. Auch ist sie gegen Steuererhöhungen, aber nur für den finanziell privilegierten kleinen Anteil der Gesamteinwohner. Das gehört hier zwar nicht hin, aber es zeigt doch auf, wie Grundwerte und das nicht nur in den USA, durch das Kapital und deren willfährige Politiker zugrunde gerichtet werden können.

***In Nova Scotia (neben New Brunswick / Prinz Edward Island) wurden Überlegungen verworfen, sich am Unabhängigkeitskrieg zu beteiligen. Die Mehrheit der Bevölkerung war einfach dagegen.
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