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Alt 23.10.2016, 08:27   #170  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 42


Die Trommel ruft, Der Grosse Bauernkrieg







Im 15. Jahrhundert verschlechterte sich in Europa die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung. Höhere Abgaben, Frondienste an den Adel und den Klerus, der die Existenz des „gemeinen Mannes“ immer bedrohlicher werden ließ. Damit wurde der nicht herrschaftsfähige Teil der Bevölkerung bezeichnet, zu der nicht nur die Bauern, sondern auch Teile der städtischen Bewohner, Bergleute, Köhler, also alle vom Adel und Klerus abhängigen gehörten. Zur allgemeinen Lage kam hinzu, dass das niedere Rittertum auf seinen kleinen Besitztümern langsam verarmte – im Verhältnis zu den großen Fürsten gesehen – und ihren wirtschaftlichen Verlust als Raubritter auszugleichen versuchten. Auch darunter hatten in erster Linie die Bauern zu leiden, da sie für die Ritter die leichteste Beute waren.








Einige lokale Ereignisse des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts läuteten die „erste deutsche Revolution“ ein, wie sie nicht ganz zu Unrecht von Engels und Marx bezeichnet wurde. Das damals noch zum Reich gehörende Elsass erlebte in den 1490er Jahren die ersten Aufstände. Einigen militärischen Erfolgen, wie das Schleifen, Niederbrennen von Burgen, Klöster und natürlich der Tod der verhassten Grundherren, folgte der unvermeidliche brutale und erfolgreiche Gegenschlag des Adels. Danach war erst einmal „Grabesruhe“ in Mitteleuropa. Im Untergrund rumorte es aber weiterhin, Freiburg sollte 1512 ein Ziel der unterdrückten Bauern sein. Verrat verhinderte dieses Vorhaben, die Rädelsführer wurden gejagt, geköpft, gevierteilt, die Schwurhände abgehakt udgl. mehr, der Phantasie waren auch damals keine Grenzen gesetzt.

Schon 1514 kam es in Württemberg zu einem neuen Gemetzel, das ging so weiter, bis 1524/26. Das war der Zeitraum, der als „Deutscher Bauerkrieg“ in die Geschichtsbücher einging. Allerdings nicht sofort, sondern jeweils, wie die politische Lage es für nötig hielt. So wurde Thomas Münzer von der DDR-Geschichtsschreibung als Anführer gegen die Fürsten und geistlichen Würdenträger angesehen, die für sie ein frühes Großkapital und Besitzer von Produktionsmittel (Landwirtschaft, Bergbau, Verhüttungswesen, Werftindustrie) darstellten. Die westdeutsche Historiografie tat sich da wesentlich schwerer, kam aber auch nicht umhin, den Bauerkrieg als Volksaufstand gegen seine Ausbeuter festzuschreiben. Thomas Münzer, der im Mai 1525 gefangen genommen (und „natürlich“ vor seiner Hinrichtung die widerwärtigsten Folterungen ertragen musste), wurde im selben Monat hingerichtet. Damit endeten die meisten Aufstände, erst Jahrhunderte später sollte der Bauernstand, der immerhin für unser täglich Brot sorgt, durch Agrarsubventionen ein erträgliches Auskommen erreichen (wie auch immer man zur EU-Agrarpolitik stehen mag).








Im Text der oben abgebildeten Seite wird sehr deutlich auf die negative Rolle der Ritter, Fürsten, Klosterherrn für das damals alltägliche Leben der „niederen“ Stände eingegangen, dass heutzutage für uns unglaublich hart zugegangen sein muss. Ich fand diese klaren Worte überraschend drastisch, habe ich doch bisher in den Abenteurern der Weltgeschichte fiel von heroischen Taten, aufopferungsvollen Männer – und Frauen – gelesen, die für ihre Anführer jubelnd in den Tod gingen und gegen den „Feind“ gnadenlos vorgingen (den sie zuvor noch nie gesehen hatten und der ihnen auch nie was angetan hatte).

Charlie Bood erzählt einzelne Episoden aus den Aufständen, verhehlt auch nicht die Grausamkeiten beider Seiten (der ausgeplünderten und verzweifelten Bauern, sowie der herrsch- und rachsüchtigen Adligen / Klerus), schildert in randvollen Textboxen die Geschehnisse, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzogen. Ein Heft, das zum Nachdenken anregt.

Auf der dritten und vierten Seite erfolgt als Einleitung ein Artikel über das dörfliche Leben im 15. und 16. Jahrhundert. Der letzte Absatz, in dem über die sich steigenden Eingriffe des Adels in das bisher ziemlich freie Bauerntum geschildert wird, leitet zum Comicteil über. Wer den Text verfasst hat, ist nicht erkennbar, er ist ohne Namenszug.

Noch immer sind alle Hefte nachbestellbar (ein heutzutage paradiesischer Zustand). Die Vorschau weist auf das nächste Heft hin, das Klaus Störtebeker gewidmet ist.






Auf der letzten Umschlagseite ist diesmal ein Landsknecht mit einem riesigen Schwert, dessen Klinge Wellenförmig geschmiedet ist, von Hansrudi Wäscher dargestellt.
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