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Alt 30.11.2016, 17:06   #3532  
Peter L. Opmann
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Über diesen Band schreibe ich recht hymnisch - allerdings kommt mir FV # 42 doch wieder schwächer vor.

Mit dieser Ausgabe ändert sich einiges. Sie hat ein größeres Format (allerdings nun auch wieder etwas schlechteres Papier); dadurch wird allerdings vorerst nur der Rand um die Comicseiten größer. Auf der Rückseite wird die große Williams-Expansion angekündigt: Im kommenden Monat gibt es erstmals die neuen Serien „Der Eiserne“, „Doktor Strange“ und „Planet der Affen“ – es kommen dann noch die DC-Titel „Grüne Laterne“ und „Horror“ dazu. Und bei den FV tut sich auch etwas: Joe Sinnott hat das Inking übernommen, wodurch der Comic relativ schnell sein klassisches Aussehen annimmt. Und es startet eine neuen Storyline, wobei leider, leider die erste Folge bei Williams fehlt: „The Gentleman’s Name is Gorgon“ (US-Fantastic Four # 44, die es vor ewigen Zeiten mal bei HIT-Comics gab und die auch im Hachette-Klassik-Band IV enthalten ist).

Wir springen also notgedrungen mitten in die Story hinein, haben schon einiges verpaßt. Williams löst das Problem aber ganz elegant mit einer Zusammenfassung, die die beiden wichtigen Informationen enthält: Sue, die Unsichtbare, ist vom Drachenmann entführt worden, und eben jener Gorgon ist aufgetaucht und will ebenfalls jemanden gefangen nehmen: Medusa. Gut an der vorigen Ausgabe ist, wenn ich das kurz einflechten darf, dass die Figuren ihre Kräfte oder Eigenheiten richtig ausspielen. Wenn Gorgon erscheint, findet ein Erdbeben statt. Der Drachenmann wirkt ebenso kindlich wie gefährlich und verunsichert Freund und Feind. Medusa überrumpelt Johnny, die Fackel, flieht aber dann doch mit ihm zu den FV, weil Gorgon, der hier – anders als später – ziemlich böse und abgefeimt wirkt, sie holen will. Sue schützt Medusa vorläufig mit ihrem Kraftfeld. Insgesamt ein ziemlich verwirrendes Geschehen, bei dem die Frontlinien kreuz und quer verlaufen.

Im zweiten Teil, den wir uns hier ansehen („Among us hide the Inhumans“), geht es rätselhaft weiter. Wir wissen nicht, was der mysteriöse Gorgon von Medusa will. In der ausgelassenen Ausgabe hat er zumindest erklärt: „Sie gehört zu uns.“ Der Leser hat erstmals den Eindruck, Stan Lee habe sich hier eine größere Geschichte planvoll zurechtgelegt und könne somit die Rätsel spannungsfördernd nach und nach lösen. Diese Rätsel ranken sich in erster Linie um die damals so genannten Nichtmenschen, die Inhumans. Es tauchen noch auf: Karnak, ein Kung Fu-Meister, der beim ersten Erscheinen dieses Hefts, Ende 1965, ziemlich fremdartig gewirkt haben muß, Triton, der offensichtlich noch nicht richtig ausgearbeitet ist, weil er nicht auf sein Lebenselement Wasser angewiesen ist und unter seinem Mantel wohl wie ein Frosch aussieht, dem teleportierenden Schoßhund und Black Bolt, der entsprechend seiner Bedeutung erst ganz zum Schluß auftaucht.

Die Motive des Drachenmanns sind klar: Er erinnert sich an Sue vom letzten Zusammentreffen her und hegt kindliche Zuneigung zu ihr (ein wenig auch zu Medusa). Kurz wird außerdem übergeblendet zu Sandmann und Fänger, die vergebliche Anstrengungen unternehmen, aus dem Gefängnis zu fliehen. Trotz der vielen Handlungsfäden wird ein wenig deutlicher, worauf Lee hinauswill: Er löst Medusa aus den Furchtbaren Vier heraus, ändert ihr Image von „böse“ zu „seltsam“ und baut eine neue Superheldentruppe um sie auf, die allerdings – für mich etwas überraschend – erst 1975 ihr eigenes Heft bekommt.

Das Besondere an dieser Ausgabe ist allerdings für mich, wie der Kontakt zwischen FV und Nichtmenschen hergestellt wird. Die Parallele zu den X-Men wird gezogen, aber im Gegensatz zu ihnen verbergen sich die Nichtmenschen konsequent vor den Menschen in ihrer Großen Zuflucht (von der hier jedoch noch keine Rede ist). Wir haben es also in gewissem Sinn mit einer Parallelwelt-Geschichte zu tun. Die wird hier auf eine mich heute noch bezaubernde Weise eingeführt: Johnny, von seiner Freundin Doris Evans versetzt, begegnet beim trübsinnigen Herumschweifen durch New York der schönen Crystal, die sich später als jüngere Schwester von Medusa herausstellen wird, und verliebt sich auf der Stelle in sie. Daraus wird eine Art Romeo-und-Julia-Geschichte, denn Crystal darf nicht heraus aus der Großen Zuflucht, Johnny eigentlich auch nicht hinein, und so können sie sich anscheinend nie wiedersehen.

Durch diesen Handlungsstrang wird die Rolle der Fackel in der Serie zugleich deutlich aufgewertet. Was Crystal in New York wollte, wird übrigens, wenn man genau liest, überhaupt nicht deutlich. Sie ist offenbar die einzige der Nichtmenschen, die nicht weiß, daß sie immer unter sich, abgeschirmt von der übrigen Welt bleiben. (Womöglich wollte sie sich einen Freund angeln.) Aber das tut der Wirkung der Szene keinen Abbruch. Die FV machen der Splendid Isolation-Strategie der Nichtmenschen im übrigen einen dicken Strich durch die Rechnung.

Was ich auch bemerkenswert finde: Die FV bleiben in gewissem Sinn beim Konzept der DC-Serie „Challengers oft he Unknown“, also: Eine Gruppe wird immer wieder mit unerklärlichen Phänomenen konfrontiert und versucht, sie aufzuklären. Aber es ist nun eine richtige Superheldenserie daraus geworden. Die Superkräfte werden mehr und mehr zum wichtigen Handlungsbestandteil, und die Beziehungen innerhalb des Teams , die sich im Verlauf ihrer Missionen immer wieder bewähren müssen, treten ebenfalls in den Vordergrund.

Wie oben erwähnt: Durch das Inking von Joe Sinnott sehen die FV hier aus, wie man sie kennt. Er hat keine Anlaufschwierigkeiten, es gibt keine schwächeren Panels. Jack Kirby ist schon richtig gut darin, die Figuren möglichst groß ins Bild zu setzen (allerdings bleibt er noch meist bei den drei Panelreihen), und dadurch wird ihre Dynamik unterstrichen. Fazit: Es ist eine Freude, dieses Heft zu lesen – mal sehen, ob im weiteren Verlauf doch noch schwächere Ausgaben kommen.
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