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Alt 19.04.2017, 20:46   #3666  
Peter L. Opmann
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Leider weiß ich nicht mehr, warum ich mich entschieden habe, damals 1976 gerade diese Ausgabe zu kaufen. Klar, das sehr dramatische Cover hat zweifellos mit den Ausschlag gegeben. Mir war klar, daß die Serie schon länger lief (zwei oder drei FV-Hefte besaß ich bereits; keine Ahnung, ob es zu dieser Zeit auch schon Superbände zu kaufen gab) und ich mich eventuell einlesen mußte. Wahrscheinlich dachte ich: Wird schon hinhauen. Die Marvels haben grundsätzlich – im Gegensatz zum Ehapa-Kram – eine große Faszination auf mich ausgeübt. Aber vermutlich hat der Zufall eine Rolle gespielt: Das Heft lag gerade am Kiosk herum; ich hatte gerade ein paar Groschen in der Tasche – so etwa wird’s gewesen sein.

Der Leser bekommt mit, daß die Geschichte schon vorher begonnen hat; daß dies der vierte Teil der Story ist, erfährt man dagegen nicht. Ich kann noch nachvollziehen, daß der Einstieg für einen Neu-Leser ziemlich verwirrend ist. Man sieht ein Schiff auf einem hohen Felsen liegen (offenbar aus dem Wasser gehoben), und Dr. Doom schwirrt darum herum. Der Sinn dieses Bildes erschließt sich auch mit den Dialogen der FV, die die Szenerie beobachten (via „Fernseh-Satellit“ – allerdings falsch geschrieben), nur mühsam. Mir hat sich aber schon vermittelt, daß die FV es hier mit einem Gegner zu tun haben, gegen den sie ziemlich hilflos sind.

Johnny Storm hat offenbar die Feststellung von Reed, daß gegen Doom nichts auszurichten ist, nicht mitbekommen, verfolgt ihn und will ihn doch noch ausschalten, was natürlich nicht gelingt. In dieser Ausgabe läuft sehr viel über die Dialoge. Denn die Kämpfe hat es ja in den vorausgegangenen Ausgaben alle schon gegeben; mit starken Sprüchen erwecken die Superhelden aber den Eindruck, sie meinten es nun wirklich ernst, worauf Doom immer mit kaltem Zynismus antwortet. Die Fackel wird durch einen Wirbelsturm ausgeschaltet, den Doom erzeugt hat.

Eher die Funktion einer Rückblende hat eine kurze Szene mit dem eingekerkerten Silberstürmer, der nach Freiheit lechzt, aber so schwach ist, daß ein Diener von Dr. Doom ihn in der Zelle herumstoßen kann. Die restlichen drei FV-Mitglieder begeben sich inzwischen mit einem vom Schwarzen Panther zur Verfügung gestellten “Überschallraketenkreuzer“ auf den Weg zum letzten Gefecht mit Doom. Sie werden, nicht unoriginell, durch einen schnell wachsenden Baum gestoppt und müssen Hals über Kopf ihr demoliertes Fluggerät verlassen.

Ding hat nun seine Angst vor Doom (siehe FV # 54) überwunden: „Du kannst genauso gut gleich rauskommen, Denn ich gehe erst, wenn ich dich geplättet habe!“ Dieses Duell war für mich als Kind der eigentliche Höhepunkt des Hefts. Jack Kirby macht hier in einem Panel die ungeheure Kraft Dooms augenfällig, indem er ihm anatomisch unmöglich dicke Arme gibt. Ding kann jedoch diese Schraubstock-Arme mit einer extremen Anstrengung abschütteln. Sehr schön auch seine Sprüche: „Willst du noch irgendwas anderes machen, bevor ich mit dir die Gegend fege?“ – „Und jetzt geb‘ ich dir nen wirklich guten Rat: Fang nie an, Fortsetzungsgeschichten zu lesen!“

Während der Beobachter (Watcher), irgendwo im fernen All, kurz überlegt, ob er zu Gunsten der FV eingreifen soll, und sich dann dagegen entscheidet, kämpfen sich Reed und Sue durch einen zersplitterten Wald – Ergebnis des erwähnten Wirbelsturms – und finden Johnny, glücklicherweise unverletzt. Ding wurde inzwischen in einem „Antigrav-Stau-Feld“ gefangen und kann nicht länger gegen Doom kämpfen. Aber die übrigen Drei leisten weiter wacker Widerstand, wenn auch auf verlorenem Posten. Es wird angedeutet, daß Reed noch einige Minuten Zeit braucht. Ein letzter Szenenwechsel: Drei Männer (offenbar Jäger) entdecken irgendwo in freier Natur die Nichtmenschen, geraten in Panik und fliehen.

Doom will nun die FV austilgen. In diesem Moment taucht der schon in FV # 55 vorgestellte Flugdrache hinter ihm auf, in den Reed anscheinend seine letzte Hoffnung gesetzt hat. Er raubt ihm einen Teil seiner Kraft, kann ihn aber nicht zu Boden werfen. Doom triumphiert: „Selbst die Waffe, die du entwarfst – dein eigenes Genie – konnte mich nicht bezwingen!“ Auf dem Brett des Silberstürmers jagt er dem Gerät hinterher, um es zu vernichten. Das war aber, wie wir jetzt sehen, genau das, was Reed wollte. Denn als er sich dem Rand der Atmosphäre nähert, wird die kosmische Barriere wirksam, mit der Galactus den Silberstürmer auf die Erde verbannt hat. Und Doom verschwindet in einem Blitz.

In dieser Story gibt es wieder mal einige Unstimmigkeiten. Um auf die letzte Wendung zurückzukommen: Der Silberstürmer hat mehrmals versucht, diese Barriere zu überwinden. Dabei wird er immer nur zurückgeworfen und nicht wie Doom offenbar in Nichts aufgelöst. Oder verschwindet er irgendwohin? Wenn ja, wohin? Man stört sich aber daran nicht, denn in großen Zügen funktioniert die Dramaturgie einwandfrei: Die FV können nichts gegen Doom tun und versuchen es doch immer wieder. Ihre letzte Finte verleitet Doom zu einem Fehler aus Überheblichkeit, und so schlägt er sich sozusagen selbst. Na wunderbar!

Letztlich wirkt der Vierteiler etwas ausgewalzt. Den dritten Teil hätte man einsparen können, ohne daß die Story nicht mehr funktionieren würde. Es ist aber schon nachvollziehbar, daß Stan Lee die Konfrontation der FV mit einem schier unbesiegbaren Dr. Doom so lange wie möglich auskostet. Es war nun einmal der erste Vierteiler, und er mußte wohl noch Erfahrungen sammeln. Daß die Story etwas zu lang ist, bedeutet allerdings nicht, daß der Spannungsbogen durchhängt. Instinktiv erzählt Lee die Geschichte sehr wirkungsvoll. Schwer zu beurteilen, wie genau dieser Vierteiler geplant worden ist. Ich glaube fast, daß Lee nach wie vor unstrukturiert ein Heft nach dem anderen geschrieben hat.

Lee verzichtet hier nun auf einen Cliffhanger, wie um den Lesern mal wieder eine Chance zum Atemholen zu geben. Das letzte Bild, in dem ein herrenloses Silberstürmer-Brett zu Dooms Schloß in Latveria zurückfliegt, ist allerdings sehr aussagekräftig. Nächste Ausgabe. „Neue Gefahr dräut!“ Das ist nun überhaupt nicht aussagekräftig (vielleicht wußte Lee selbst noch nicht, wie’s weitergeht)! Dies war allerdings nicht der Grund, weshalb ich sie mir nicht gekauft habe…
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