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Alt 24.03.2011, 16:39   #7  
michidiers
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Gestern abend konnte ich noch an einer zweiten und für mich leider letzten Lesung teilnehmen:

Wieder war das ein nachhaltiges Erlebnis für mich. Der Erzähler Juri Morasch trat in typischer Straßenkleidung der 20er Jahre auf und las mit wodka- und zigarettenrauer, aber nicht weniger deutlichen Stimme und mit viel Ausdruck, die Texte der Graphic Novel dem Publikum vor. Dias der Panels waren wieder im Hintergrund dargestellt. Etwas musikalische Untermalung an den richigen Stellen, etwas typische Theaterimprovisation, viel Zigarettenqualm und Vodka aus der Thermospflasche. Der Applaus wollte nicht enden, der musste mehrfach wieder auf die Bühne zurück.

Zum Werk als solches: herrliche Bleistiftzeichnungen mit viel Schraffur, die die Seele Sibiriens hervorragend einfangen. Die autobiographische Stroy war zum Schluss etwas gehetzt und hatte einige Lose Enden. Aber was solls. Die 5 Euro waren gut angelegt.

Zitat:
Nikolai S. Maslov. SIBERIA (szenische Lesung)
"Mit einem Stift in der Hand konnte ich Dinge sehen, die mir zuvor nie ins Auge gefallen waren. Das Rollen der Felder. Die ernste Schönheit des Waldes. Formen, Farben, wie sie spielten. Es war als ob Sibirien so ein Stück weit sein Herz für mich eröffnete.
Ja und eines Nachts hörte ich im Radio diese Frauenstimme darüber reden, womit Pariser ihre Hunde füttern würden. Von da ab machte ich regelmäßig um diese Uhrzeit das Radio an."

Rückblickend beschreibt der frankophile sibirischstämmige Moskauer Nachtwächter Nikolai S. Maslov seinen Lebensweg. Er erzählt vom Aufwachsen im kargen sibirischen Hinterland, von seinen von Rohheit geprägten Soldatenjahren, der folgenden kurzen Zeit auf der Kunsthochschule in Novosibirsk sowie vom Irrenhausaufenthalt und Zerfall der UDSSR. Mit einer guten Portion Ironie und Sarkasmus sowie einem immer wieder durchschimmernden Optimismus schlägt sich der Protagonist durch eine Welt in grau.Es handelt sich um Maslovs Comic-Debüt an dem er drei Jahre gearbeitet hat. Mit eindringlichen wie einfachen Bleichstiftskizzen zeichnete er das Leben eines kleinen Mannes auf, in dem sich große Geschichte spiegelt. Erschienen ist die Graphic Novel bei Soft Skull Press.
Mit: Thomas Anzenhofer.
Leitung: Juri Morasch; Ausstattung: Viera Kucera; Video: Ivo Schüssler
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