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Alt 21.10.2017, 22:05   #29  
Peter L. Opmann
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Also ich bin kein Hardcore-Schwarzenegger-Fan. Wer ihn nicht mag, den kann ich heute ohne weiteres akzeptieren. Meine Interessen gehen ohnehin in andere Richtungen.

Einer meiner all time favourite Filme: www.moviepilot.de/movies/der-general

Man kann sich dieses Werk nicht ohne tragischen Unterton ansehen, denn es brach Buster Keaton wirtschaftlich das Genick. Weil der Film bei seinem Erscheinen das amerikanische Publikum nicht überzeugte, mußte er sein Studio verkaufen und zum lohnabhängigen Komiker werden. Als wenige Jahre später die Stummfilmära endete, wußte MGM mit ihm nichts Rechtes mehr anzufangen und verheizte ihn in zunehmend belangloser werdenden Komödchen.

In "Der General" ist Keaton aber at his best. Er verfilmt eine teilweise authentische Geschichte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Eine Lokomotive der Südstaaten wird von nördlichen Agenten geklaut und dazu benutzt, der Südstaatenarmee die Nachschublinien abzuschneiden. Aber der furchtlose Lokomotivführer holt sich seine Maschine zurück und vereitelt die Pläne. Keaton scheute damals keine Kosten, um den Bürgerkrieg möglichst authentisch nachzustellen. Man muß bedenken, daß dieser Krieg damals erst 60 Jahre her war, und es lebten zumindest noch etliche Leute, die ihn in jungen Jahren miterlebt hatten. Die Amis hatten jedenfalls kein Verständnis für diese seltsame Komödie, die sich irgendwie über die amerikanische Geschichte lustigmachte.

Zunächst blitzt der Lokführer (Keaton) bei seiner Braut ab, weil er nicht mit in den Krieg zieht. Er weiß selbst nicht, daß er zurückgewiesen wurde, weil er mit seinem Job kriegswichtig ist. Als die Lok, der "General", verschwindet, wird auch die Braut mit gekidnappt, und Keaton nimmt mit einer zweiten Lok allein die Verfolgung auf (was die fliehenden Nordstaatler wiederum nicht wissen). Mit einem Trick holt er sich seinen "General" (samt Frau) zurück, und die Verfolgungsjagd läuft in umgekehrter Richtung ab. Dabei inszeniert Keaton viele geniale Slapstick-Einlagen. Am Ende rauscht er über eine Brücke über den Rock River und setzt sie hinter sich in Brand. Die Nordstaatler versuchen trotzdem, ihn weiter zu verfolgen (der Befehlshaber: "Wenn ich befehle, daß die Brücke hält, dann hält die Brücke"), stürzen aber mit ihrer Lok in den Fluß. Keaton hat nicht nur seinen geliebten "General" wieder, sondern auch endlich die Achtung seiner Braut.

Die Story klingt nicht so außerordentlich. Der Film ist eine nahezu perfekte Komposition aus originellen und witzigen Einzelszenen. "Der General" funktioniert ebenso als Komödie wie als Abenteuerfilm. So gut ausbalanciert habe ich das sonst nie gesehen. Kürzlich habe ich in einem Zeitungsartikel eine interessante Beobachtung zum Film gelesen: Obwohl bei Keaton alle Details von den Uniformen bis zu den Maschinen stimmen, ist es doch ein Traumfilm, denn das, was den militärischen Konflikt zwischen Nord und Süd ausmachte, spielt überhaupt keine Rolle. Weder sieht man, warum Krieg geführt wurde (die Sklaverei zu thematisieren, wäre in den Südstaaten sicher immer noch heikel gewesen), noch ist erkennbar, wer gewinnen und wer verlieren wird. Hier sind jedenfalls die Nordstaatler die Bösen und die Südstaatler die Guten.

Die Komik von Keaton ist außerordentlich. Mit seinem unbewegten Gesicht, seinem Geschick im Umgang mit Technik und seinem Ungeschick im Umgang mit Menschen ist er eine höchst seltsame Figur. Auch Charlie Chaplin war ein genialer Clown, aber Keaton würde ich doch noch eine Stufe höher stellen.

"Der General" kann man sich immer wieder ansehen, ohne daß der Film langweilig wird oder sein Esprit sich abnutzt. Vor vielen Jahren konnte ich ihn auch mal im Kino sehen (mit Livemusik) - eine großartige Erfahrung.
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