Thema: Bücher-Café
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Alt 18.05.2011, 07:31   #61  
Servalan
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Garcí Ordoñez de Montalvo: Amadís von Gallien (1508), zwei Bände

Wenn Miguel de Cervantes Saavedras Don Quijote bei den alten Ritterromen gewissermaßen die Stellung von Watchmen einnimmt, dann gleicht Amadís von Gallien den ursprünglichen Superhelden aus dem Golden Age, Superman und Batman. Amadís ist nämlich ein edler und herzensguter fahrender Ritter, der böse Herzöge, diverse Riesen und den Zauberer Arcalaus (seinen Lex Luthor) besiegt. Mit seinen (Halb-)Brüdern Jung Galaor und Florestan sowie seinem Vetter Agrajes bildet er quasi eine Vorform einer Justice League. Amadís zieht seine Kraft aus der Liebe zu Oriana, der Tochter seines Lehnsherrn, König Lisuarte, einem Vorgänger von König Artus (der Roman ist gewissermaßen ein Prequel zu den Artussagen).
Der zweite Band hingegen ähnelt dem Silver Age: Weil Amadís sich zu lange vom Hof in London entfernt hat, und der schönen Briolanja geholfen hat, ihr Reich wieder zu bekommen, kündigt ihm Oriana in einem scharfen Brief ihre Liebe auf. Amadís ist am Boden zerstört und möchte sterben. Die jugendliche Raserei der eifersüchtigen Oriana und der liebeskranke Amadís erinnerten mich an Ariosts Rasenden Roland (Orlando Furioso). Doch die Intrige löst sich irgendwann auf. Nachdem er König Lisuarte von den Iren ein zweites Mal die Herrschaft gesichert hat, wird er verleumdet und vom Hof gejagt - die meisten Ritter sind von Lisuarte enttäuscht und folgen Amadís in die Verbannung. Dieser Teil hat Ähnlichkeit mit Lone Wolf and Cub.

Das Lesen bringt Spaß, obwohl der Anfang ziemlich schwierig ist, vor allem wegen ähnlicher Namen (Gandalac, Gandales, Gandalin, Gandalon - ich habe da ständig auf "Gandalf" gewartet, stattdessen kam nachher ein Gandandalon!). Obwohl sich die Ritter fröhlich die Rüstungen zersäbeln und mit schwersten Schädelverletzungen noch munter stundenlang weiterkämpfen, ist vor allem Amadís in Liebesdingen ein Sensibelchen und heult manchmal heftig.
Für Comicfans interessant: Die Klett Cotta-Ausgabe von 1977 wurde von Heinz Edelmann designt.
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