Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16.03.2023, 12:11   #156  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.325
Blog-Einträge: 3
L'Incroyable Histoire du facteur Cheval | Postman Cheval | Der Palast des Postboten (Frankreich 2017, Fechner Films, Fechner BE, Be TV, VOO, Finaccurate, Shelter Prod und Auvergne-Rhône-Alpes-Côte d'Azur), Idee: Fanny Desmarès, Drehbuch: Fanny Desmarès, Nils Tavernier und Laurent Bertoni, Regie: Nils Tavernier, 104 min, FSK: 0

Die unglaubliche Geschichte des Postboten Cheval, wie der Originaltitel wörtlich übersetzt heißt, erzählt von einem verschrobenen, verträumten und eigenwilligen Sonderling, dem Postboten Joseph Ferdinand Cheval (1836 - 1924), der aus eigenem Antrieb ein seltsames Bauwerk errichtet. Der Postbote Cheval hatte einige Jahre als Bäcker gearbeitet und trug seit 1867 die Post aus. Auf eigene Bitte wurde er in der Nähe seines Heimatortes auf einer 32 Kilometer langen, gebirgigen Route eingesetzt, der „Tournée de Tersanne“, die er bis zu seiner Pensionierung 1896 lief.
Der schweigsame und verschlossene Mann galt als einfältig, interessierte sich aber trotz seiner Legasthenie für Kunstwerke in aller Welt, über die er im Magasin Pittoresque gelesen hatte. Laut Nils Tavernier war Cheval eine Asperger-Persönlichkeit, die 1879 beim Postaustragen über einen Stein stolperte und diesen zum Grundstein seines Bauwerkes machte. Er widmete den Palais idéal (1879 - 1912) seiner Tochter Alice, die jedoch mit 15 Jahren verstarb und die Errichtung nicht mehr miterleben konnte, denn der Bau des idealen Palastes dauerte 33 Jahre.
Durch sein Projekt galt der Postbote zunächst als verrückt, und auch seine Tochter Alice wurde verspottet; doch je weiter der Bau voranschritt, desto mehr wurde er zu einer bewunderten Sehenswürdigkeit, die Journalisten und Touristen anlockte. Das 12 Meter hohe und 26 Meter lange Gebäude im Tal der Drôme, einem Nebenfluß der Rhône, wurde um 1890 Objekt von Postkarten; in den letzten Jahren besuchten um die 150.000 Personen jährlich den idealen Palast.
Als Maurer und Architekt war Cheval ein Amateur; er dachte, als gelernter Bäcker wisse er, wie Teige angemischt werden, und mit Kalk und Mörtel verhalte es sich so ähnlich. Der Palast ist ein eklektizistisches Bauwerk, das verschiedene Einflüsse wie Hindu-Tempel, die Anlage von Angkor Wat, die Kasbah von Algier und andere Stilemente naiv mischt. Erste künstlerische Anerkennung bekam das Werk von den Surrealisten in den 1930er Jahren. 1969 nahm Kulturminister André Malraux den idealen Palast in die Liste historischer Monumente auf.

Die Szenen mit dem idealen Palast entstanden im September und Oktober 2017 in Hauterives, wo der Film am 24. September 2018 seine Uraufführung hatte, die von 850 Zuschauern besucht wurde. Obwohl die Kritiken sehr gemischt waren, lockte der Film in Frankreich 550.759 Zuschauer in drei Wochen in die Kinos. Außerdem kam er in der Schweiz, Österreich und Deutschland in die Lichtspielhäuser.
Von der Situationistischen Bewegung wurde der Postbote Cheval mit dem bayrischen König Ludwig II. verglichen, denn beide erlitten Tragödien, die sie mit dem Bau von Burgen bewältigten.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten