Thema: Filmklassiker
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Alt 30.10.2022, 11:28   #117  
Nante
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Gut, dann bis dahin auch von mir ein Film aus den 30ern.
Mein Klassiker von S. Eisenstein ist weder „Panzerkreuzer Potjomkin“ noch „Iwan Grosny“ sondern sein „Alexander Newski“ von 1938 über den gleichnamigen russischen Nationalheiligen.

Obwohl von Anfang bis Ende ein reiner Propagandafilm, bei dem die Geschichtklitterung buchstäblich im ersten Satz beginnt ist es gleichzeitig großartig gemachte Unterhaltung, bei der sich aus künsterischer Sicht Elemente von Stumm-und Tonfilm verbinden und auch die Musik eine wichtige Rolle spielt.

Der Film beginnt in einem Zusammentreffen des durch Intrigen „der Reichen“ aus Nowgorod vertriebenen und das "einfache Landleben" genießenden Alexander mit einem hohen Beamten der goldenen Horde, der Russen in die Sklaverei verschleppt. Die Darstellung der Mongolen unterscheidet sich hier kaum von der der Hunnen in F. Langs "Nibelungen".
Alexander und der Gesandte unterhalten sich von gleich zu gleich und der Held lehnt ein Angebot ab, in tatarische Dienste zu treten. Ebenso unterbindet er Versuche seiner Leute, die Sklaven zu befreien, denn die Tataren müsse man sich für später aufheben. Jetzt seien die Deutschen die gefährlicheren Feinde, denn sie strebten nicht (nur) nach Sklaven sondern vor allem nach der „heiligen russischen Erde“.

In Nowgorod hat sich inzwischen „das Volk“ gegen die wankelmütigen „Oberen“ durchgesetzt und nach der Nachricht von der Eroberung Pskows durch die Deutschritter ruft man Alexander zurück, um mit ihm gegen die Eroberer zu Felde zu ziehen. Der Patriotismus erfaßt Männer, Frauen und Kinder und nur einige wenige, die sich bald als Verräter entpuppen, bleiben abseits.

Eingebettet in diese Story ist das Werben zweier typisch russischer Recken um eine junge Frau, die schließlich verspricht, den tapfersten zu heiraten. (Nehmen wir es vorweg: Beide vollbringen übermenschliches im Kampf, überleben auch beide, wenn auch arg blessiert. Und der „Verlierer“ hat inzwischen sein Herz an ein verkleidetes Mädchen unter den Kämpfern verloren. Also happy End!)

Vorher aber werden wir Zeuge, wie grauenvoll und brutal die Deutschritter im eroberten Pskow hausen. Eisenstein kommt hier fast ohne Text aus, allein die Bilder im Zusammenspiel mit der Musik reichen.

Den Höhepunkt bildet natürlich die legendäre Schlacht auf dem Eis. Auch hier sind wieder die an Ballett erinnernden Bilder und die Musik von S. Prokowjew entscheidend.

Natürlich gewinnen die Nowgoroder am Ende und die Feinde und Verräter werden bestraft. Allerdings nicht, ohne daß einer von letzteren die zu große Arglosigkeit eines tapferen Kämpfers ausnutzt und ihn ermordet. Dem verräterischen Klassenfeind ist eben in keiner Sekunde zu trauen! Der Film entstand nicht umsonst auf dem Höhepunkt der großen Säuberungen 1937/1938.

Am Ende hält Newski eine Rede, deren finale Warnung vom großen Führer der Werktätigen selber stammen könnte: Wer in Frieden zu uns kommt, darf mit uns feiern. Wer mit dem Schwert kommt, wird dadurch umkommen. – Ich weiß nicht, ob Hitler den Film je gesehen hat…

Neben den eindeutigen Bezügen auf die Nazis und die deutsche Wehrmacht (Gestaltung der Helme!) fiel mir vor allem noch das Spiel von Nikolai K. Tscherkassow in der Rolle des Titelhelden auf. Seine herrischen Gesten und das entschiedene Auftreten wirken schon wie eine Einstimmung auf seine Paraderolle in Eisensteins Spätwerk „Iwan Grosny“.
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