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Alt 27.01.2017, 18:48   #3596  
Peter L. Opmann
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Genial kurz faßt die Williams-Redaktion den Inhalt dieser Ausgabe in ihrer Monats-Checkliste zusammen: „Ding Ben Grimm wird kopiert, und Sue Richards, die Unsichtbare, wähnt sich bereits als Witwe.“ Genau, darum geht es in dieser Ausgabe, die zum ersten Mal seit längerem wieder eine weitgehend in sich abgeschlossene Story erzählt (vielleicht ein Anzeichen dafür, daß die Jubiläums-Ausgabe # 50 – in USA – nun vorbei ist).

Wenn auch es in den Credits heißt: „Möglicherweise ist dies das gewaltigste illustrierte Epos, das je produziert wurde…“ – die FV kehren erstmal zum Normalbetrieb zurück. Allerdings hat diese Episode durchaus einiges dramatische Potenzial, was Stan Lee – möglicherweise – bewußt war. Wie wir schon sahen, streift Ding mißmutig durch die Stadt. Im strömenden Regen. Eine Polizeistreife erkundigt sich, ob alles in Ordnung ist; Ding wimmelt sie ab. Dann stellt er sich eben im Hauseingang jener Gestalt unter, die schon in der vorigen Ausgabe auftrumpfte, sie werde die FV besiegen. Der kahlköpfige Mann, der in einer späteren Ausgabe den Namen Ricardo Jones bekommen wird, bittet Ding zum Aufwärmen herein und bietet ihm einen Kaffee an.

Jones stellt rasch eine emotionale Verbindung her: Auch er sei frustriert, weil niemand seine wissenschaftlichen Erkenntnisse ernst nehme (entspricht anscheinend den Tatsachen). Dann geht es ganz schnell: Ding wird infolge eines Schlafmittels im Kaffee bewußtlos, der Wissenschaftler schließt ihn an einen Duplikator an, mit dessen Hilfe er sich in das Ding verwandelt – das Original-Ding wird in diesem Prozeß wieder zu Ben Grimm (warum auch immer). Dann macht sich der Betrüger auf den Weg zum Baxter Building.

Reed Richards arbeitet dort wieder mal an neuen Apparaturen und vernachlässigt seine Frau Sue. Was da genau entsteht, will er ihr nicht sagen, als sie ihn um ein wenig Aufmerksamkeit anbettelt. Aber sie hat wohl ein bißchen was mitbekommen. Da betritt Ding (der verwandelte Jones) die Szene. Er redet – überraschenderweise – genau im Ben-Grimm-Jargon (woher hat er den?), ist sich andererseits über seine eigenen Kräfte nicht richtig im Klaren. Kurz darauf taucht der echte Ben Grimm auf und will seine Teamkollegen vor dem falschen Ding warnen. Jones-Ding demonstriert seine Kräfte und läßt Grimm damit als Lügner dastehen (kann das wirklich ein Beweis für seine Echtheit sein?). Jedenfalls muß der unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Reed Richards enthüllt nun, was seine Frau schon ahnte: Er hat einen „Dimensionseingang in den Hyperraum“ gebaut, will diese Sphäre nun erkunden und braucht Ding, um ihn an einer langen Schnur zu halten und bei Gefahr wieder zurückzuziehen. Na, ob Jones, der Forscher, der vom Neid auf Richards zerfressen ist, das wohl tun wird? Aber er kommt ins Nachdenken: Sein Rivale nimmt große Gefahren auf sich – offenbar nicht des Ruhms oder Geldes wegen, sondern allein, um die Erkenntnis zu mehren. Sue will ihren Gatten auf seiner riskanten Mission begleiten, aber er redet ihr das erfolgreich aus.

Hier unterbricht Lee die Erzählung und switcht kurz zum Metro College, wo Johnny, die Fackel, mit dem amtierenden Star der Footboll-Mannschaft aneinandergerät. Der Trainer trennt die beiden und wird dabei auf Wyatt Wingfoot aufmerksam, der der Footballspieler seiner Träume ist, aber sich für den Sport offenbar überhaupt nicht interessiert. Vom Silver Surfer und den Nichtmenschen, anderen Nebenhandlungen, die schon angelegt sind, erfahren wir hier erstmal nichts weiter.

Inzwischen ist Reed in den Hyperraum eingedrungen. Er findet sich in einer fantastischen Welt wieder, merkt aber, daß er von der dortigen Erde angezogen wird und beim Eintritt in die Atmosphäre vernichtet zu werden droht. Ding muß ihn retten. Jones-Ding hat inzwischen viel nachgedacht und will das wirklich tun. Aber die Schnur reißt! Sue sieht Reeds Ende bereits gekommen. Aber Jones läßt sich selbst in den Hyperraum ziehen und steht Reed kurz darauf auf einem Felsen im Erdorbit gegenüber. Mr. Fantastic verhält sich höchst anständig und macht ihm keine Vorwürfe. Darauf unternimmt Jones einen verzweifelten Rettungsversuch: Er schleudert Reed mit seiner gewaltigen Kraft in Richtung Dimensionstor zurück – er langt glücklich wieder in seinem Forschungsraum an. Selbst läßt sich Jones in die todbringende Zone treiben.

Der echte Ben Grimm will inzwischen das Beste aus seiner neuen Situation machen und in seiner menschlichen Gestalt Alicia besuchen. Als er vor ihrer Tür steht, verwandelt er sich in Ding zurück – das ist offenbar der Moment, in dem Jones stirbt. Ding flieht, klärt aber kurz darauf im Baxter Building alles auf. Reed sagt dazu nicht das, was man vielleicht erwarten würde: „Er starb als Held.“ (Obwohl das anklingt.) Vielmehr sagt er: „Er hat für alles bezahlt – und bezahlt wie ein Mann!“

Eine Geschichte mit ziemlich vielen logischen Fehlern und Löchern (wie oben angedeutet). Über Jones erfahren wir erstaunlich wenig, und er läßt den Leser doch nicht kalt. Lee, der den Zweiten Weltkrieg mitgemacht hat (wie auch Jack Kirby), versteht sich auf die Inszenierung eines heroischen Opfers. Interessanterweise gibt es hier weder einen Superschurken noch richtige Kampfaction, und doch ist die Story ziemlich spannend – die Spannung rührt von der Erkundung einer unbekannten Welt mit todbringenden Gefahren her. Und natürlich vom gänzlich ungetrübten Heroismus der Figuren.

Die Geschichte ist außerdem so gut strukturiert, daß sie Kirby (weiterhin assistiert von Inker Joe Sinnott) in ruhige, klare Bildsequenzen (mit neben der Splashpage zwei weiteren ganzseitigen Panels) umsetzen kann. Hier sind mir nun einige wuchernde Sprechblasen aufgefallen, die im US-Original sicher um einiges kleiner sind. In einem Fall wird Johnny in der College-Cafeteria ärgerlicherweise völlig verdeckt. Insgesamt trotzdem eine schöne Ausgabe, die aus dem Superheldeneinerlei, das es auch bei den FV hin und wieder gibt, angenehm heraussticht.
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