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Alt 04.04.2016, 10:03   #101  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 17


Der Läufer von Marathon – Um Griechenlands Freiheit





Dieses Heft beinhaltet den 2. Teil einer Trilogie über die „Perserkriege“, den Kampf um die Unabhängigkeit der griechischen Kleinstaaten gegenüber dem übermächtig erscheinenden Perserreich. Nun müsste allerdings das vorliegende Heft das erste in der Reihenfolge sein, beschäftigt es sich doch mit den Geschehnissen um 490 v.d.Z. Band 15 (Verrat am Thermopylen-Pass) schildert einen späteren Versuch der Perser, auf der westlichen Seite der Ägäis endgültig Fuß zu fassen, nämlich um 485 v.d.Z. Hoffentlich hat sich der Autor, eventuell immer noch Hans-Jürgen Linden (?), nicht durch die absteigenden Jahreszahlen irritieren lassen …

In diesem Geschichtsabschnitt geht es um die berühmte Schlacht beim nicht minder berühmten Ort Marathon. Dort haben die Athener unter ihrem Anführer Miltiades ein an Zahl überlegenes persisches Heer geschlagen. Damit verhinderten sie einen weiteren Vormarsch der Perser über Land auf Athen zu. Die persische Invasionsflotte, die zuvor die Insel Euböa eroberte, fuhr nach der Niederlage des Landheeres nach Athen weiter. Miltiades eilte mit den Soldaten im Eilmarsch die gut 40 Kilometer nach Athen und erreichten die Stadt, kurz bevor die Perser anlangten. Nun waren die Verteidiger im Vorteil und die Invasionsflotte zog ab.





Habe ich etwas vergessen? ach ja, den Marathon-Läufer. Im Heft wird sein Name mit Diomedon angegeben, gefunden habe ich desweiteren Thersippos oder Eukles, aber es ist egal, welcher Name genannt wird: sie dürften alle falsch sein! Der zeitlich am nächsten der Schlacht von Marathon lebende und berichtende antike Historiker war mal wieder Herodot. Ungefähr 50 Jahre später entstand sein Bericht und er nennt einen Läufer Phedippies als Bote nach … Sparta. Der sollte die Spartaner zur Beteiligung an den Abwehrkämpfen auffordern. Sie sagten zwar zu, aber erst nach dem Ablauf eines religiösen Festes und erschienen so zu Schlacht überhaupt nicht. Also eilte der Bote nach Athen zurück und legte für die Strecke von ca. 245 Kilometer hin und zurück in jewils 2 Tagen, ohne tot zusammen zu brechen. Das war auch kein Wunder, denn solche Läufer waren als Boten in der griechischen Antike die Regel. Vielleicht war der Marathon-Läufer krank, oder nicht in Form, jedenfalls brach dieser auf den Stufen des Tempels mit den Worten: „Wir haben gesiegt!“ tot zusammen. Um der Wahrheit Genüge zu tun: es ist alles erfunden! Denn erst gut 500 Jahre nach der Marathon-Schlacht schildert Plutarch und noch einmal 100 Jahre später Lukian dieses Ereignis. Aber es hörte sich so spannend und heroisierend an, dass die Tat des fiktiven Läufers von Marathon in der Gegenwart als Olympischer Wettkampf seinen Einzug fand.

Was gibt es aus dem Heft noch zu berichten: gleich auf der 2. Umschlagseite sind die Untertexte der Abbildungen für Diomedon und Artaphernes (persischer Oberbefehlshaber) vertauscht worden, banal.

Ein grober Fehler hingegen sind die dargestellten Schiffstypen der persischen Invasionsflotte. Solche Kriegsschiffe hat es zu diesem Zeitpunkt im Mittelmeer nicht gegeben, egal welcher Partei sie angehörten. Sind sie teilweise mit Lateinersegeln versehen, was hier nicht erkennbar ist, diese aber erst frühestens für das erste Jahrhundert v.d.Z. nachgewiesen werden können. Vorherrschend für die Kriegsschiffe zur Zeit der Perserkriege – und in leicht abgewandelter Form, bis ins 2. und 3. Jahrhundert n.d.Z. - war der hier abgebildete Schiffstyp aus dem Comic Der Namenlose Pirat und das hat schon einen anderen Charakter, als die im Comic eher Handelsschiffen ähnelnden Persersegler.




Nachtrag zum Heft 15 und den dort gezeigten Schiffstypen: diese sehen erstaunlicherweise den gebräuchlichen Kriegsschiffen recht ähnlich. Sie haben keine flott geschwungene Bordwand, einen horizontalen Decksaufbau, allerdings auch Lateinersegel. Auf der Seite 9 ist zu lesen: „In den dicken Leibern der Trieren legen sich die Ruderknechte in die Riemen, dass sie sich fast durchbiegen.“ Sofern ich nichts übersehen habe, sind hier alle Schiffstypen, griechische wie persische, mit nur einer Ruderreihe abgebildet ausgestattet, statt mit deren 3 übereinander. Ich denke mal, der Zeichner, auch hier Herbert Hahn, wird sehr wohl um dieses Detail gewusst haben, allerdings aus praktischen Gründen nur je eine Ruderbank gezeichnet haben, wie die nur 4 Finger uns bekannter anthropomorpher Tiere -

Auf der weiter oben abgebildeten Doppelseite sieht man ein Täuschungsmanöver der Athener, die in der Stadt ohne ihre Armee ausharren mussten. Sie besetzten deshalb die Stadtwälle mit wenigen Leuten und können damit die Anwesenheit der ganzen Heeresmacht vortäuschen – wäre nicht notwendig gewesen, denn … siehe oben. Enttäuscht ziehen die Perser auf ihren Schiffen ab, mit Kurs auf Persien. Diese Chance hätte sich der Autor des vorliegenden Heftes nicht nehmen lassen sollen und darauf hinzuweisen, dass es zu dieser Zeit einen „Sues-Kanal“ gegeben hatte. Dieser, auch „Ismailia-Kanal“ genannt, weil vom Nil zum Roten Meer, wurde vom Pharao Necho im 6.Jahrhundert v.d.Z. begonnen von den Persern unter Darius (549-486v.d.Z.) fertiggestellt.

Auf der Landkarte der letzten Comicseite sind einige Städte Griechenlands eingezeichnet, leider nicht der namensgebende Ort für das antike Geschehen …
Herbert Hahn hat das Heft gezeichnet, mit klarem Strich, guter Bildkomposition, auch die Anatomie beherrschte er perfekt. Selbst der schwarz/rote Farbton stört den positiven Gesamteindruck nicht.
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