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Alt 29.05.2023, 17:13   #171  
Servalan
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Dann trage ich jetzt mal Eulen nach Athen.

Art Spiegelman hat sich bei Comics sowohl in der Theorie als auch in der Praxis bewährt. Seit seinem 15. Lebensjahr zeichnet er professionell Comics, und mit seinem Opus Magnus Maus katapultierte er sich sofort mit einem Klassiker in die Comicgeschichte. Zusammen mit seiner Frau Françoise Mouly brachte er das Comicmagazin RAW heraus; außerdem begann er schon an Fan mit eigenen Beiträgen zur Comicgeschichte, später lehrte er an Universitäten.

Schon seit seinen Anfängen experimentierte er mit der Form und lotete die Grenzen des Mediums aus. 1977 erschien bei Bélier Press erstmals seine Anthologie Breakdowns. From Maus to Now mit seinem gesammelten Frühwerk, die deutsche Ausgabe erschien 1980 bei Stroemfeld. Der neueste Sekundärband bezieht sich wortspielend darauf und verleiht ihm entsprechendes Gewicht. Aus meiner Sicht handelt es sich um wesentlich mehr als ein Nebenwerk, vielmehr ist es eine Coda oder ein Manifest. Dafür spricht auch die Zweitauflage, die in veränderter Form auf den Markt kam. Breakdowns. Portrait of the Artist as a Young %@&*! (Pantheon Books 2008) | Breakdowns. Porträt des Künstlers als junger %@*! (S. Fischer Verlag 2008) beginnt mit einem autobiographischen Comic über Spiegelmans Beziehung zu Comics in jeder Form.

Seine persönliche Erfahrung bildet das Schlüsselelement zu seinem zweiten wichtigen Comic, denn Spiegelman lebt in New York City und hat die Anschläge des 11. September 2001 hautnah miterlebt. Sein Erlebnis hat er in einem besonderen Comic verarbeitet, das er in einer Zeitung abgedruckt sehen wollte, womit er erhebliche Schwierigkeiten hatte. Erst bei der deutschen Wochenzeitung Die Zeit konnte er seine graphischen Vorstellungen verwirklichen. Die Suche nach einem Verleger für das Gesamtwerk gestaltete sich zu einem zweiten Hindernislauf. In the Shadow of No Towers fand schließlich seine Heimat 2004 bei Penguin Viking, eine deutsche Übersetzung steht bis heute trotz Spiegelmans Reputation aus. Der Band wurde 2004 von der Zeitung The New York Times als eines der 100 bemerkenswerten Bücher des Jahres ausgewählt.
Spiegelman gestaltet darin seine Ängste und seine Sorge um seine Familie als einen fortlaufenden Strip in einem Stil, der die Comicseiten der Zeitungs nachahmt, auf denen es mehrere parallele Comicserien gibt. Ähnlich splittet er die Comicseite in verschiedene Strips auf, so daß das aktuelle Geschehen durch begleitende Comics auf derselben Seite kommentiert und reflektiert wird. Im Schatten keiner Türme enthält in der Buchausgabe ein ausführliches Nachwort zur Comicbeilage der Zeitungen, "The Comic Supplement", mit zahlreichen ausgewählten Beispielen.

Über Art Spiegelman gibt es Sekundärliteratur bis zum Abwinken, deshalb beschränke ich mich auf eine knuffige Auswahl, die allgemein auf sein Werk eingeht:
  • Joseph Witek (Hrsg.): Art Spiegelman. Conversations (University Press of Mississippi Conversations with Comic Artists 2007), 320 Seiten
  • Philip Smith: Reading Art Spiegelman (Taylor & Francis Group Routledge 2016), 160 Seiten
  • Georgiana Banita und Lee Konstantinou (Hrsg.): Artful Breakdowns. The Comics of Art Spiegelman (University Press of Mississippi Tom Inge Series on Comics Artists 2023), 322 Seiten

Geändert von Servalan (03.06.2023 um 17:33 Uhr)
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