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Alt 28.12.2022, 11:00   #3  
God_W.
Captain Rezi
 
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Klappentext bzw. Angaben des Verlags:
Splitter widmet dem Meister der Science Fiction eine sechsbändige Prachtausgabe.

H.G. Wells ist, neben Jules Verne, nicht nur ein, sondern der Ahnherr und Klassiker der modernen Science-Fiction-Literatur. Einige seiner Bücher sind Schlüsselwerke des utopischen Zukunftsromans, »Der Krieg der Welten« etwa, »Die Insel des Dr. Moreau« und natürlich »Die Zeitmaschine«. Im Laufe der Jahrzehnte sind sie unzählige Male adaptiert, interpretiert, kopiert, zitiert und auch persifliert worden. Allein »Der Krieg der Welten« ist ein äußerst beliebter Stoff, auch und gerade im Comic, und dürfte so oft im Stil der jeweiligen Zeit verarbeitet worden sein – von Orson Welles‘ legendärer Hörspielfassung, die 1938 in den USA angeblich für Massenpanik sorgte, bis hin zu Roland Emmerichs »Independence Day« 1 & 2 (Tim Burtons »Mars Attacks!« nicht zu vergessen) –, dass der eigentliche Urheber dahinter gerne vergessen wird.

Szenarist Dobbs hat sich deshalb nun daran begeben, zusammen mit einigen ausgewählten Zeichnern eine zeitgemäße Interpretation der Hauptwerke von H.G. Wells im klassischen Geist vorzulegen – neben den eingangs genannten Titeln zudem noch »Der Unsichtbare«, ein weiteres Beispiel dafür, dass die Erzählungen von Wells stets spannend sind, unterhaltsam, auch amüsant und vor allem eins: zeitlos aktuell!

- Wir hätten nicht gedacht, dass Sie die Insel auf eigene Faust erkunden …Ohne uns Bescheid zu sagen.
- Sie sagen mir jetzt, was hier vor sich geht, Montgomery! Und zwar sofort!
- Was sind das für >>Dinger<<, die mich im Dschungel verfolgt haben?

H.G. Wells – Die Insel des Dr. Moreau



Just my 2 Cents:
Da ich (noch) nicht alle sechs Ausgaben besitze halte ich mich mal nicht an die chronologische Reihenfolge, ist ja auch gar nicht nötig, da es sich ja um vier in sich abgeschlossene Adaptionen von Werken des Großmeisters H. G. Wells handelt. So nehme ich als nächstes den vierten Band der wirklich wunderschön gestalteten Reihe unter die Lupe. Die Insel des Dr. Moreau ist gleichzeitig die Geschichte, die mir von den vieren am wenigsten vertraut ist. Ich besitze weder das Buch, habe es auch nie gelesen und sollte ich jemals eine der Verfilmungen gesehen haben, so ist davon kaum etwas bis gar nichts bei mir hängen geblieben. Nichtsdestotrotz ist mir das Grundthema der Story zwar schon vertraut, aber ich kann mich doch recht unvoreingenommen daran machen die Insel des Dr. Moreau zu erkunden…

Das wieder mit Goldprägung versehene, stimmungsvoll gestaltete Cover lässt es schon erahnen und die ersten Seiten im Buch verschaffen mir schnell Gewissheit: Das Artwork ist wieder atemberaubend schön gelungen. Fabrizio Fiorentino, der Zeichner dieses Bandes, hat wohl schon an Batman, Green Arrow und Mystic gearbeitet und schafft hier ohne Umschweife eine wunderbar maritime Abenteueratmosphäre, die sich auch bei der Ankunft auf der Insel und später im Dschungel stets greifbar anfühlt.

Unser Held ist ein Schiffbrüchiger, der in den ersten Panels von einem Schiff gerettet wird. An Bord lernt er einen Hilfsbereiten Arzt kennen, der ihn wieder aufpäppelt. Das Schiff soll die Versorgung einer geheimnisvollen Insel sicherstellen, nur scheint der Kapitän weder von seiner Fracht, noch von dem Arzt und schon gar nicht von unserem Schiffbrüchigen begeistert zu sein. So kommt es, dass selbiger dann ein Stück vor der Insel unsanft gebeten wird von Bord zu gehen und so verschlägt es ihn mit dem Arzt und der Fracht auf die geheimnisvolle Insel des Dr. Moreau. Dort muss er sehr schnell feststellen, dass die Gesetze der Natur hier nicht zu gelten scheinen, denn er trifft auf verschiedenartige Lebewesen, wie sie in der Form eigentlich nicht existieren dürften.

Der Arzt der ihn nach seiner Rettung wieder gesund pflegte ist ein Gehilfe von besagtem Dr. Moreau und da unser stets neugieriger Held sich nicht an die Regeln halten kann wird er bald unverhoffter weise zum Augenzeugen der schrecklichen Experimente, die Moreau auf der Insel durchführt. Ein Abenteuer voll Spannung, Schrecken und Tragik beginnt und immer schwebt über allem die Frage: Wie weit darf der Mensch bei seinem Streben nach Wissen gehen und wo handelt er gegen die göttliche Vorsehung?

Das klingt so weit alles sehr gut und das könnte es auch sein, allerdings gelingt es Autor Dobbs hier nicht wie zuvor bei der Zeitmaschine, die Geschichte zu einer verdichteten, wie aus einem Guss wirkenden Essenz des Buches zu verschmelzen. Die Charaktere bleiben weitgehend blass, die Geschichte wirkt an vielen Stellen holprig und unausgereift erzählt. Man blättert oftmals zurück, um zu prüfen, ob man nicht eine Seite überblättert hat, so löchrig stellt sich das Storykonstrukt dar. Das macht viel der von Zeichner Fiorentino geschaffenen Atmosphäre wieder zunichte und so ist es am Ende leider wirklich nur noch das Artwork, das den Band über Mittelmaß hinaus hievt.

Ich weiß nicht, ob es bei dieser Adaption schon an der Vorlage mangelt, da ich diese nicht gelesen habe, kann ich mir aber eigentlich nicht vorstellen, dann müsste das Buch schon wirklich zu den schlechtesten von H. G. Wells gehören. Vielleicht werde ich mir in nächster Zeit mal eine der Verfilmungen besorgen um damit zu vergleichen. Das Grundthema ist ja echt fesselnd und wirft streckenweise ähnliche Fragen auf wie "Frankenstein oder der moderne Prometheus", erreicht aber nie die Qualität von Mary Shelleys Erzählung und die stolpernde Erzählweise bricht der Auflage hier echt das Genick. Auf jeden Fall hoffe ich inständig, dass der nächste Beitrag zur Reihe wieder mehr meinen Geschmack trifft, ich lass mich von diesem einen schwächelnden Band erstmal nicht entmutigen.

6/10

VG, God_W.

Geändert von God_W. (28.12.2022 um 11:06 Uhr)
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