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Alt 06.11.2023, 11:48   #240  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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  • Jens Sparschuh: Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman (Kiepenheuer & Witsch Verlag 1995)
  • Der Zimmerspringbrunnen (Deutschland 2001, Senator Film und Relevant Film), Drehbuch: Kathrin Richter und Ralf Hertwig, Regie: Peter Timm, 94 min, FSK: 6
Wenige Jahre nach der Wiedervereinigung gelang Jens Sparschuh mit seinem Roman ein kleiner Bestseller. Mit dem ehemaligen Angestellten der Kommunalen Wohnungsverwaltung Hinrich Lobek einen liebenswert sympathischen Chaoten, der sich nur mühsam mit den neuen Lebensumständen arrangiert. Diese Charakterstudie war Teil einer Welle in Romanen und Filmen wie Good Bye, Lenin!, in denen das deutschsprachige Publikum positiv gezeichnete Ossis kennenlernen durfte. Dabei spielte der Alltag in der untergegangenen DDR jenseits der Stasi eine wichtige Rolle, eine Sehnsucht nach einer verlorenen Vergangenheit, die kalauernd zur Ostalgie verklärt wurde.
Sparschuh nutzt seinen übersichtlichen Plot über die Karriere Lobek in einer westdeutschen Firma zu einem feinsinnigen Kommentar und liefert so ein Dokument der Nachwendezeit.

Die Verfilmung konzentriert sich auf die Charaktere und vermeidet auf die Weise die ärgerlichsten Klischees deutscher Filmkomödien. Der Humor ist eher feinsinnig, keine Figur wird bloßgestellt und die leichte Satire befindet sich irgendwo zwischen Ephraim Kishon und Loriot. Mit nur 41.805 Besuchern an der Kinokasse darf der Film als veritabler Flop bezeichnet werden, obwohl er Besseres verdient hätte. Mittlerweile ist ein gewisses Grundwissen über die damaligen historischen Umstände notwendig, um ihn entsprechend würdigen zu können, das heute nicht mehr bei jedem vorliegt. Ich finde, dass sich die Komödie trotz ihres Alters gut gehalten hat.
Schön finde ich auch die Schlußpointe: Lange Zeit liefert Lobek das Bild eines harmlosen Sonderlings, der den Anstoß von Dritten braucht, um zur Höchstform aufzulaufen. Als er eine Beförderung ablehnt, erinnert er mich an Franquins Gaston, aber in Wirklichkeit hat Lobek es faustdick hinter den Ohren. Sein Schachzug mit der Gewinnbeteiligung an dem von ihm entworfenen Erfolgsmodell zeigt, dass er im kapitalistischen Westen angekommen ist und das System zum eigenen Vorteil zu nutzen weiß.
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