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Alt 18.10.2023, 16:21   #238  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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  • Ron Jones: "Take as Directed", in: CoEvolution Quarterly 1976 bzw. "The Third Wave", in: No Substitute for Madness: A Teacher, His Kids, and the Lessons of Real Life (Island Press 1981)
  • Todd Strasser unter dem Pseudonym Morton Rhue: The Wave (Dell 1981) | Die Welle. Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging (Otto Maier Verlag 1984)
  • The Wave (USA 1981, T.A.T. Communications Company für ABC), Drehbuch: Johnny Dawkins nach den Begebenheiten von Ron Jones, Regie: Alexander Grasshoff, 44 min
  • Die Welle (Deutschland 2008, Rat Pack Filmproduktion, Constantin Film, B.A. Produktion, Celluloid Dreams und Medienfonds GFP), Drehbuch: Dennis Gansel und Peter Thorwarth, Regie: Dennis Gansel, 107 min, FSK: 12, JMK: 12
  • Wir sind die Welle (Deutschland 2019, Rat Pack Filmproduktion, Sony Pictures Film und Fernseh Produktion für Netflix), Idee: Dennis Gansel, Drehbuch: Jan Berger, Ipek Zübert, Kai Hafemeister, Thorsten Wettcke und Christine Heinlein, Regie: Anca Miruna Lăzărescu und Mark Monheim, 1 Staffel in 6 Teilen à 45-54 min
Die Vorlage zählt zu den Legenden einer Schullektüre, und das grundlegende Experiment des Lehrers Ron Jones 1967 in den USA hat mittlerweile fast mythische Züge bekommen. Der Stoff erfreut sich ungebrochen seiner Popularität und findet in immer neuen Formen sein Publikum, darunter auch ein Musical. Das Buch von Morton Rhue wurde 2,5 Millionen mal verkauft, sicher häufig in Klassensätzen. Wahrscheinlich liegt das am Setting, der Schule, die sich gewissermaßen selbst thematisiert. Nicht zuletzt geht es ja auch um den Verdruß, das Thema Nationalsozialismus für den Unterricht zu bearbeiten, wobei das pädagogische Konzept eine zerstörerische Eigendynamik entwickelt hat.
Ich selbst habe das Buch nicht gelesen, halte ihn als Klassiker aber für so allgemein bekannt, daß wohl jeder weiß, was damit gemeint ist. Insofern hat der Stoff ein eigenes Leben entwickelt, denn er prägt auch diejenigen, die ihn nur vom Hörensagen kennen.

Die Verfilmung von 2008 mit Jürgen Vogel, Frederick Lau, Max Riemelt, Cristina do Rego, Liv Lisa Fries und anderen steht gerade in der ARD Mediathek. Bei mir hat er einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Zum einen finde ich die Modernisierung in die damalige deutsche Gegenwart gelungen, und der Film verströmt eine Atmosphäre wie das Highschool Genre aus den USA, wobei die Schülerschaft schon recht stereotyp herüberkommt. Einzelne Szenen gefallen mir besser als der gesamte Film, der handwerklich eher bieder wirkt.
Der Einstieg mit dem anarchistischen Lehrer Rainer Wenger, der sich auf die anstehende Projektwoche freut, kommt locker daher. Dass sich Wenger eher notgedrungen auf das Thema Autoritarismus einlassen muß, sorgt für eine innere Spannung, die den Film unterstützt.
Letztlich hat Dennis Gansel damit ein Werk für den Schulunterricht abgeliefert, ob ihm das nun gepaßt hat oder nicht. Damit einher geht eine entsprechende Drastik, um Dinge plastisch wirken zu lassen. Dass die Schüler des Marie-Curie-Gymnasiums aus allen Schichten stammen, kommt wie ein Ideal rüber, weniger wie ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Wie ein Thesen-Tatort wirkt der Film nicht, eher wie ein Laborversuch. Und die Message, bei der jedes Gemeinschaftsgefühl per se mit Faschismus kurzgeschlossen wird, finde ich zu flach.
Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, in denen sich die Welt weitergedreht hat. Nicht nur MySpace und die gezeigte Homepage sind technisch veraltet, das gesamte Konzept finde ich zu simpel: keine Auseinandersetzung, sondern eine billige Ausrede. Der Film kann sicher zu Diskussionen anregen, die besser sind als er selbst.
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