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Alt 22.02.2016, 11:28   #95  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Filmen ist ein Knochenjob, der vollen Einsatz verlangt. Ute Opritescu berät als Juristin bei connexx.av, einem ver.di-Netzwerk, Kolleginnen und Kollegen aus allen Medienbereichen. Im Interview Die Medien-Illusion mit Jens Berger geht es hauptsächlich um Filmschaffende, aber in den anderen Branchen sieht die Situation kaum besser aus.

Als frappantes Beispiel berichtet sich darüber, wie sich die Drehbedingungen in den Öffentlich-Rechtlichen Sendern im allgemeinen und dem Tatort im besonderen in den Jahrzehnten verändert haben:
Zitat:
Problematisch wird es oft, wenn die diversen öffentlich-rechtlichen Sender die szenischen Unterhaltungsfilme nicht selbst produzieren. Für sie ist es zunächst einfacher, die Produktion nach außen zu geben; denn so müssen sie sich nicht an ihre Tarifverträge im Haus halten. Auf der anderen Seite wollen Sie aber oft bei grundlegenden Aspekten mitbestimmen, wie zum Beispiel bei Drehbuchinhalten, Darstellern, dem Regisseur, dem Kameramann, den Drehorten. Im Prinzip ist dieser Gedanke auch nicht schlecht, denn die öffentlich-rechtlichen Sender müssen ja ihren Rundfunkauftrag erfüllen. Problematisch wird es aber dann, wenn die bereitgestellten Gelder gar nicht ausreichen, um die entsprechenden Wunschvorstellungen zu erfüllen. Denn dann kann die Produktionsfirma, die natürlich selbst auch noch Gewinn einstreichen will, nur am Personal sparen – und tut das in aller Regel auch massiv.

Um das zu verdeutlichen: Früher drehte man für einen Tatort bis zu 44 Drehtage lang. Laut dem 15. KEF-Jahresbericht deckt die Finanzierung eines Tatorts inzwischen nur noch 21 bis 30 Drehtage ab. Mittlerweile wird ein Tatort daher an 21 bis 23 Tagen abgedreht. Der Film ist aber im Sendeformat nicht gleichzeitig kürzer geworden. Eine immense Arbeitsverdichtung am Set ist die Folge.

Und Gleiches gilt für „freie“ Filmprojekte: Man will in immer kürzerer Zeit immer längere Formate produzieren. Dass diese Rechnung natürlich ab einem gewissen Punkt nicht mehr aufgeht ist klar. Und wir reden hier noch nicht einmal davon, dass es bei Außenproduktionen auch mal gewittert oder ein Darsteller erkrankt. Das ist in den pauschalen Finanzen überhaupt nicht mehr vorgesehen. Entsprechend ist dann auch das Klima am Set: Die Kolleginnen und Kollegen sind massiv überlastet, haben Angst krank zu werden, machen unter dem immensen Druck aber auch immer mal wieder Fehler etc. pp. (...)

Ich denke, der Großteil der Endverbraucher weiß gar nicht, wie die Realität am Set wirklich ist. Zudem ist die „Faszination Film und Fernsehen“ immer noch so groß, dass die Produktionsfirmen eigentlich immer jemanden finden, der es für noch weniger Geld und mehr Stunden macht. Wenn Sie so wollen, scheint mir eher „das System“ das Problem zu sein denn der einzelne Filmschaffende oder Journalist.

Geändert von Servalan (22.02.2016 um 11:38 Uhr)
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