Thema: Tarzan & Co.
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Alt 26.06.2012, 10:01   #253  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Tarzan und das Gold von Opar

Ich komme noch einmal auf die Tarzan-Roman-Artikelserie von Stefan Meduna zu sprechen: Im neusten HRW-Fanclub Magazin Nr. 35 hat er das Buch „Tarzan und der Goldene Löwe“ am Wickel. Nachdem die Familie mit Tarzan, Jane und Korak wieder vereint aus Pal-Ul-Don zurückkehren, finden sie einen verwaisten Löwenjungen. Tarzan nimmt ihn mit, zieht in groß und auf und er wird Jad Bal Ja genannt, der „Goldene Löwe“. Auch die Farm wird wieder aufgebaut, allerdings haben die Finanzen der Greystoke-Familie durch den Weltkrieg arg gelitten. Deshalb macht sich Tarzan auf, seiner „Hausbank“ einen Besuch abzustatten: den Schatzkammern von Opar, dem letzten Außenposten der untergegangenen Zivilisation von Atlantis.

Zu Recht bemängelt Stefan Meduna die Raubrittermentalität Tarzans, der ungeniert Gold und Juwelen aus den schier unerschöpflichen Schatzkammern Opars klaut - anders ist diese Vorgehensweise auch kaum zu nennen. Immerhin sind sie nicht Herrenlos, oder vielmehr „Damenlos“, denn La, die Königin von Opar, ist die eigentliche Besitzerin, bzw. Verwalterin der Schätze. Ich glaube aber, wenn man die Zeit berücksichtigt, in der dieser Roman entstanden ist (1922/23), wird dieses Verhalten, Aneignung fremden Eigentums, verständlicher. Schließlich sind es nur „dumme Wilde“, die mit dem Gold ohnedies nichts anfangen können und außerdem sind es nicht einmal richtige Menschen, eher Tiermenschen, die Evolutionsbedingt höchstens zwischen Mensch und Affe angesiedelt werden können – von den weiblichen Oparianern abgesehen, aber diese wiederum waren eh „nur Frauen“, also „Geschäftsunfähig“!

Vor einiger las ich eine Science Fiction Kurzgeschichte, die sich mit einem ähnlichen Phänomen beschäftigt: sie wurde in der Ausgabe Nr. 8 der Buchreihe „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens“, vom Jahrgang 1905, mit dem Titel Die Marsreise von Adolf May, veröffentlicht - allerdings nicht unter dem Genrebegriff SF, sondern „eine Phantasie“.




Die Buchreihe „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens“ lief von 1876-1962!

Eine Weltraumexpedition startet am 5. Mai 2005 mit dem Raumschiff Marsostrat zum Mars (wohin auch sonst). Die Besatzung bestand aus Menschen des europäischen Kulturkreises, die einem sogenannten Marsklub angehörten und ihrer Diener. Auf dem Mars fanden sie eine am Verblühen begriffene Zivilisation menschenähnlicher Wesen. Es gab oberirdische Städte, die durchaus noch intakt waren, aber es gab nur die Zeugen der Vergangenheit, es wurde anscheinend nichts neues mehr gebaut. Auf ihrer Umrundung des Mars erblickten sie einen „ungeheuer hohen Turm“. Auf dessen Spitze befand sich eine strahlende Kugel, die mehr als nur die Aufmerksamkeit der Weltraumfahrer auf sich lenkte. Sie beschlossen, sie zu Forschungszwecken mit zur Erde zu nehmen.

Folgenden Absatz, der dieses Ereignis, das Stehlen der Kugel beinhaltet, gebe ich hier einmal ungekürzt wieder: „Nach einigen kleinen Manövern hatten wir die Kugel glücklich in den Bodenausschnitt des Fahrzeugs gebracht, rollten hierauf mit einiger Mühe die Kugel in den Marsostrat, verschlossen die Schiebetür und erhoben uns in die Lüfte.

Im selben Augenblick rief der Diener:“O, sehen Sie doch auf den Mars hinab!“

Wir blickten durch die Luke zur Marsoberfläche, und auch wir erstaunten. Ganz Amazonia (Irdische Bezeichnung einer Marsgegend) schien plötzlich sich bevölkert zu haben. Händeringend, schreiend und gestikulierend rannten die Leute hin und her. Sie deuteten mit den Händen nach der leeren Denkmalspitze und auf uns und gebärdeten sich wie rasend. Sollte ihnen denn an der Kugel so viel gelegen sein? Was hatte es denn mit ihr für eine Bewandtnis? Umsonst rieten wir hin und her. Es sollte uns leid sein, wenn wir mit der Kugel diese armen Teufel vielleicht eines Symbols oder gar eines wertvollen Besitzes beraubt haben sollten, aber im Interesse der Wissenschaft müssen derartige Opfer gebracht werden.


Na, aber sicher. Man könnte vielleicht die Eingeborenen mal fragen, aber was soll dieser Aufwand, ist ja schließlich für die Forschung und die Ehre – oder eben für das eigene Portemonnaie. Was anderes wäre es schon, wenn Fremde bei uns landen und die Quadriga vom Brandenburger Tor klauen, ohne uns zu fragen, oder dem Kölner Dom um seine Schätze, respektive die Reliquien, erleichtern, da wäre das Geschrei bei uns aber groß – wie eben auf dem Mars…

Ein bisschen ausführlicher ist das jetzt doch geworden, aber letztlich wird wohl klar sein, was ich meine: Heutzutage würde man nicht mehr so ohne weiteres Kulturschätze ungefragt nach Hause schleppen, aber noch vor einhundert Jahren wurden derartige Aktionen überhaupt nicht in Frage gestellt und so auch nicht von Edgar Rice Burroughs in seinen Werken.
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