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Alt 19.05.2017, 16:37   #28  
Servalan
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Kommissar Dupin – Bretonische Verhältnisse (filmpool fiction GmbH für ARD Degeto 2014), Drehbuch: Gernot Gricksch und Martin Ess nach dem Roman Bretonische Verhältnisse: Ein Fall für Kommissar Dupin (Kiepenheuer & Witsch 2012) von Jean-Luc Bannalec, Regie: Matthias Tiefenbacher, 88 min, FSK: 12

Kunsthistorische Bezüge:
  • Der Krimi kreist um die Frage, ob Paul Gauguin (1848 - 1903) ein zweites Original seines Gemäldes "Vision après le sermon ou la lutte de Jacob avec l'ange | Vision nach der Predigt oder Jakobs Kampf mit dem Engel" (1888/1889) angefertigt hat, das in der National Gallery of Scotland in Edinburgh hängt.
  • Dementsprechend finden viele Szenen in dem kleinen bretonischen Dorf Pont-Aven statt, denn Gauguin gehörte zur Schule von Pont-Aven. In der Vorlage wird diese Steilvorlage zum Namedropping strapaziert: Claude Monet (1840 - 1926), Vincent Van Gogh (1853 - 1890), Pablo Picasso (1881 - 1973), Henri Matisse (!869 - 1954), Robert Wylie (1839 - 1877), Émile Bernard (1868 - 1941), Charles Filiger (1863 – 1928), Henry Moret (1856 – 1913) und Louis Anquetin (1861 – 1932).
  • Zur Sprache kommt außerdem die Rivalität zwischen dem fiktiven örtlichen Kunstverein von Frédéric Beauvois’ Museum und dem Musée d'Orsay, Paris, im Streit um die fiktive Sammlung Pierre-Louis Pennec.
  • Die fiktive Kunsthistorikerin Marie Morgane Cassel aus Brest wird vom Kommissar Dupin als Sachverständige hinzugezogen.
Mittlerweile ist es ein offenes Geheimnis, daß der Kriminalroman keine Übersetzung eines französischen Originals ist, sondern vielmehr aus der Feder einer bekannten Persönlichkeit aus der Buchbranche stammt. Als Urheber gilt Jörg Bang, Programmleiter des S. Fischer Verlages.

Das Debüt der Krimireihe um den strafversetzten Commissaire Georges Dupin aus Paris, der seekrank wird und keinen Fisch mag, leidet (trotz oder wegen?) der Prominenz des Autors an exzessivem Namedropping. Dadurch kann Bannalec zwar mit seinem Bildungsbürgertum protzen, aber für gewöhnlich wären viele Passagen bei unbekannten Debütanten ersatzlos gestrichen worden.
Das Motiv der Kunstgeschichte bildet den Hintergrund für deutliche Kontraste: einerseits gibt es den skurrilen Lokalpatriotismus des Finisterre, der ein recht ausgewähltes Wissen schätzt, andererseits die kosmoplitische Weltläufigkeit des Parisers (das Konzept ähnelt Sophie Haas' Verbannung nach Hengasch in Mord mit Aussicht), der sich Experten von außen organisieren kann.

Geändert von Servalan (08.07.2017 um 13:20 Uhr)
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