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Alt 14.02.2018, 20:22   #3941  
Peter L. Opmann
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Dieser Condor-Nachdruck von "Chaos im Baxter Building" war ein Beihefter im Kleinformat, bei dem es wieder mal die einmaligen verknappten Dialoge gab (wie in den Taschenbüchern): "He! Das ist..." - "...lustig!" (Finde ich übrigens nicht.)

Zurück zur Williams-Ausgabe:

Hier versuchen Lee und Kirby mal wieder etwas Neues, eine Story ohne Superschurken. Die FV sollen aus ihrem Hauptquartier, dem Baxter Building, vertrieben werden. Der Grund dafür ist simpel und wirklichkeitsnah: Es gibt einen neuen Vermieter (nämlich eine Mafiaorganisation), der ihnen einfach kündigt, ganz legal. Ganz neu ist diese Idee allerdings nicht. Bereits in FV # 9 waren die FV pleite und damit sehr angreifbar; allerdings wurde das damals nicht heftfüllend auserzählt. Dann gab es noch FV # 31, wo die Helden gegen den Finanzmogul Gregorius Gideon antreten mußten.

Doch das ist eine riskante Sache: Wo kommt die Action her, wenn sich die FV nur gegen ihre Entmietung wehren müssen? Die Macher haben sich dazu folgendes ausgedacht: Ein Mafiaboß verfolgt die Strategie, sich streng an Recht und Gesetz zu halten, um den FV ihren Stützpunkt und ihre gesamte technische Ausrüstung wegzunehmen. Ein anderer will dagegen ihre Misere ausnutzen, um sie auszulöschen (daher auch der Teaser auf dem Cover: „Der Tod schlägt zu!“). Dagegen wehrt sich das Quartett und kann so auch gegen die Mafiagangster kämpfen. Die setzen einmal mehr Betäubungsgas ein, denn Abknallen (ungeachtet der Frage: Kann man die FV so einfach erschießen?) wäre mit dem Comics Code – und natürlich auch mit der Weiterführung der Serie – unvereinbar gewesen.

Aber was zeigt das Cover? Da werden offenbar Ding, Crystal und Johnny eingesargt. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ausgaben wird hier nicht etwas dargestellt, was in der Story gar nicht vorkommt. Allerdings erfährt man dann beim Lesen, daß es sich nur um Behälter handelt, in denen die bewußtlosen FV (auch Reed) im Meer versenkt werden. Von den oft bemühten Betonblocks an den Beinen ist hier nichts zu sehen. Jedenfalls: Wenn man nur das Cover betrachtet, muß man wohl zu dem Schluß kommen, daß sie tot sind. Gut möglich, daß sich Lee und Kirby zuerst dieses Cover ausgedacht und sich dann überlegt haben, welche Story zu diesem Motiv passen würde.

Wir steigen mit einer kleinen Party in das Heft ein. Blickfang ist das Ding, das ganz locker zu Gitarrenklängen von Johnny tanzt, und zwar im feinen Anzug. Seine Tanzpartnerin dürfte seine Freundin Alicia sein, was aber nicht ganz klar ist. Der Pförtner des Baxter Building (der ein wenig an Briefträger Willy Lumpkin aus FV # 10 erinnert) platzt herein und bringt den Kündigungsbrief der Mafia. Ding und Johnny sind empört; Reed mahnt, Ruhe zu bewahren, und will Anwälte einschalten. Nun werden wir Zeuge eines Mafia-Treffens, das mich ein wenig an die Inszenierung in Coppolas „Der Pate“ erinnert (der jedoch erst etwa zwei Jahre später ins Kino kam). Die FV gehen in den Central Park und grübeln, wie sie aus dieser Sache herauskommen. Da sehen sie, daß ein Hubschrauber auf dem Baxter Building landet. Mafia-Gangster, die übrigens mit ihren Uniformen und Gesichtsmasken ein bißchen an Superhelden erinnern, wollen sich die Einrichtung der FV gleich unter den Nagel reißen. Die Fackel versucht, das zu verhindern, wird aber abgeschossen und betäubt.

Reed, Ding und Crystal kehren ins Gebäude zurück und bemerken im Kontrollzentrum, daß das Haus voll von Mafialeuten ist. Kurz darauf sind auch sie betäubt und werden in die Kisten gelegt (siehe Cover). Während die im Meer versinken, gelingt es Crystal als erster, sich zu befreien. Alle drei können sich ans Ufer retten. Doch wo steckt Sue, die Unsichtbare? Sie ist unsichtbar noch im Baxter Building unterwegs. Aber die Mafiabande hat einen Detektor, der ihr die Anwesenheit von Sue verrät. Am Ende zwingt der Anführer sie, sichtbar zu werden, indem er ihr Baby bedroht. In diesem Moment tauchen aber die übrigen FV auf und überwältigen die Mafiosi. Nun kommt auch der Pförtner noch einmal herein und erschießt unvermittelt den Anführer. Reed ist schockiert, findet aber sofort die Erklärung: Hinter seiner Maske verbirgt sich der andere Mafiaboß, der streng legal gegen die FV vorgehen wollte und nun seinen Komplizen exekutiert hat. Das führt zu einer sehr moralischen Schlußszene: Reed verurteilt die Gangster, die doch niemals gegen das Recht ankommen können. Und er versichert Sue, er werde immer gegen das Verbrechen kämpfen, damit ihr Sohn nicht in Furcht aufwachsen muß. Sehr pathetisch.

Trotz mancher Mängel und Ungereimtheiten finde ich diese Episode recht gut. Wenn Lee und Kirby die Superheldenklischees vermeiden und ihre Helden in einem fast normalen Alltag zeigen, gibt es bei mir fast immer Extrapunkte. Logische Fehler und Kurzschlüsse fallen hier nicht so sehr ins Gewicht. Allerdings kommt der Humor diesmal zu kurz. Die Mafia war offenbar ein Thema, über das man lieber keine Witze machte. Da jeglicher Bombast fehlt (keine Welteroberung, keine fast allmächtigen Supergegner), verzichtet Kirby auf großformatige Panels. Trotzdem ist die Ausgabe souverän gezeichnet (Inker ist wiederum Joe Sinnott). Davon, daß er schon kurz vor seinem Abschied von Marvel stand, ist nichts zu sehen – abgesehen davon, daß von Fortsetzungsstorys weiterhin Abstand genommen wird.
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