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Alt 10.02.2017, 22:19   #263  
Peter L. Opmann
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Ich schreib's mal rein.

Also Klassiker sind das nicht. Nicholas Ray ist besonders in Erinnerung geblieben wegen "Denn sie wissen nicht, was sie tun" mit James Dean; Robert Altman hat mit seiner Verfilmung alles getan, daß daraus kein Kultfilm wird. Beide hatten die gleiche Vorlage: den Pulp-Krimi "Thieves like us" von Edward Anderson (1937). Dieses Buch kenne ich leider nicht; offenbar ist es nie auf Deutsch erschienen.

Ray kam von New York nach Hollywood, wo er bei RKO - auf Vermittlung seines Mentors Elia Kazan - den Stoff 1947 verfilmen konnte. Er arbeitet hier schon an dem Thema, das man aus dem James-Dean-Film kennt: die Orientierungslosigkeit der Nachkriegsjugend. Der Roman spielt allerdings in der Depressionszeit, also um 1930. Ganz zu Beginn sieht man ein Bild der beiden Hauptdarsteller Farley Granger und Cathy O'Donnell, losgelöst von einer Handlung, unterlegt mit dem Text: "Dieser Junge und dieses Mädchen konnten sich nicht zurechtfinden in der Welt, in der wir leben. Und dies ist ihre Geschichte." Bowie (Granger) ist das jüngste Mitglied einer Gang. Er wird verwundet und von den anderen zurückgelassen. Keechie (O'Donnell) pflegt ihn gesund. Sie verlieben sich ineinander, türmen und wollen ein gemeinsames Leben beginnen. Aber Bowie gelingt es nicht, sich ohne Gesetzesverstöße zu behaupten. Am Ende wird er von der Polizei gestellt und erschossen. Sehr bewegend ist die Szene, wo die beiden in einem Bus quer durch die Staaten unterwegs sind und durchs Fenster einen schäbigen 24-Stunden-Heiratsservice eines Friedensrichters sehen. Erst sind sie sich einig, daß sie so nie heiraten würden. Dann fällt ihnen auf, daß sie gern einander heiraten möchten. Als der Bus schon anfährt, steigen sie aus und lassen sich dort trauen. Ich glaube, Fassbinder hätte das gefallen (wenn er den Film nicht ohnehin kannte). Und bei diesem Film hole selbst ich mein Taschentuch raus.

Für Robert Altman und New Hollywood kam diese Story 1973 gerade recht. Er zeigt all das, was Ray nicht zeigen wollte und auch nicht zeigen durfte. Die USA, wo sie am ärmlichsten und am schmutzigsten sind. Jegliche Identifikation mit den Hauptfiguren (hier Keith Carradine und Shelley Duvall) verbietet sich von vorneherein. Die Grundlinien der Story, die ja recht einfach sind, sind die gleichen, aber es ist ein völlig anderer Film. Das Amerika der Depression wird in äußerster, brutaler Genauigkeit nachgezeichnet. Die Grundstimmung ist hoffnungslos. Aus dieser Beziehung kann nie etwas werden (während man bei Ray mit Bowie und Keechie mitleidet und erst zum Schluß schockiert wird).
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