Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20.11.2015, 19:11   #42  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.322
Blog-Einträge: 3
Standard Die zwei Stimmen des Erzählens

Geschichten können auf vielerlei Weisen in die Binsen gehen. Letztlich hilft da nur ständige Übung. Fehler zu machen, ist keine Schande; wer jedoch daraus lernt, vermeidet sie beim nächsten Mal.

Besonders Anfänger können ihre eigenen Werke kaum einschätzen. Ein richtiges Probepublikum, das hilfreiche Anmerkungen und Kommentare gibt, kann dabei helfen. (Freunde, Verwandte und Bekannte dürften in den wenigsten Fällen geeignet sein: Entweder loben Alles über den grünen Klee oder sie sind nie zufrieden zu stellen.)

Wer sich bestimmter Grundlagen bewußt ist, kann besser einschätzen, wie eigene Texte wirken. Geschichten sind nämlich spezielle Texte. Und die ersten Versuche dürften bei den meisten kläglich scheitern. (Später berühmt gewordene Autorinnen und Autoren bilden keine Ausnahme.) Was ist das Besondere am Erzählen?

Jede Geschichte hat zwei Ebenen. Bei den Genres historischer Roman oder Science Fiction und Fantasy sticht das geradezu ins Auge.
Aber die Regeln gelten für alle erzählten Werke: Auf der obersten Ebene spricht die Autorin (oder der Autor) zu seinem Publikum, auf der Ebene darunter sprechen und handeln die Figuren in ihrer Welt. Beide Ebenen müssen ins Gleichgewicht gebracht werden, damit das Publikum bei der Stange bleibt.
Eine reale Geschichte aus dem antiken Ägypten oder von einer Nicht-menschlichen Spezies wäre unverständlich, einfach weil das fremde Welten sind. Beim Schreiben sind gewisse Kompromisse unvermeidlich, wenn das Werk verständlich bleiben soll. (Große Sprachkünstler dürfen weniger Rücksichten nehmen. Dennoch sollten die Regeln bekannt sein, bevor sie bewußt gebrochen werden.)

Wenn jemand mit Verve begeistert eine Zeile nach der anderen zu Papier (oder auf den Monitor) bringt, heißt das noch lange nicht, daß das Publikum diese Begeisterung auch spürt.
Ein anderer Fehler besteht darin, sich in die erzählte Welt zu verlieben und sie so detailreich zu schildern, daß das Publikum sich irgendwann gelangweilt ausklinkt.

Der Kulturwissenschaftler Walter Ötsch hat 2012/2013 am ICAE in Linz eine Einführungsveranstaltung über "Welt-Bilder" von der Antike bis in die Gegenwart geliefert. Sie liefert gute Anhaltspunkte für eigene Gedanken.

Geändert von Servalan (19.02.2017 um 15:43 Uhr)
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten