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Alt 30.10.2017, 15:31   #55  
Servalan
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Wholetrain (Deutschland / Polen, Goldkind Filmproduktion und Aerodynamic Film für ZDF - Das kleine Fernsehspiel 2006), Drehbuch und Regie: Florian Gaag, 89 min, FSK: 12, JMK: 14

In den meisten Filmen kommen Graffiti-Sprayer schlecht weg, weil sich deren Kunst meist im Illegalen bewegt. Mittlerweile bietet die Kunstszene Freiflächen für legale Pieces, häufig Auftragsarbeiten mit entsprechendem Werbewert oder als touristisches Lockmittel. Bei ihren häufig nächtlichen Aktionen versehen Sprayer allein oder in Gruppen öffentliche und private Oberflächen mit ihren Tags und Pieces. Rechtlich gesehen handelt sich in Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung, die häufig mit Sozialstunden, der zwangsweisen Entfernung der Graffiti und Schadensersatzforderungen geahndet werden.
Die Subkultur wehrt sich durch einen eigenen Slang, der für Laien kryptisch bleibt. So bezeichnet der "Wholetrain" eine Aktion, bei der ein kompletter Zug in einem Rutsch komplett als Bildfläche genutzt wird.
Da die Unternehmen die Flächen rasch reinigen, dolumentieren die Writer und Sprayer ihre Pieces selbst. Allerdings müssen sie ihre Dokumentationen sorgfältig verstecken, weil sie sich sonst selbst überführen könnten.

Auf der Leinwand mischen sich Spielfilm und Dokumentarfilm. Während die klassischen Werke schon in den 1980er Jahren in den USA entstanden, findet das Writing von Tags und Pieces erst in Nuller Jahren Resonanz in der deutschen Filmlandschaft. Die Pioniere hinter der Kamera wie Frank Lämmer oder Florian Gaag stammen aus der Szene, der sie vor allem über die Musikproduktion weiterhin verbunden bleiben.
Wholetrain ist ein Autorenfilm im engsten Sinne: Vom Regisseur Florian Gaag stammt nicht nur das Drehbuch, mit seiner Firma Aerodynamic Film fungiert er darüber hinaus als Co-Produzent und hat den Soundtrack produziert. Weil er sich in der Szene auskennt und die Kamera Writer und Sprayer in Aktion zeigt, suchte er Schauspieler mit entsprechenden Erfahrungen. Ergänzt wurde das Casting durch erfahrene Writer aus der Szene: Cemnoz, Neon, Won, Ciel, Mons und Pure.

So viel Lebensnähe hält den Film quicklebendig, zugleich bereitet er Mühe, sobald es um Drehgenehmigungen auf dem Bahngelände geht. Bei der Deutschen Bahn wurde höflich angefragt, doch die lehnte nicht nur erbost ab, vielmehr setzte sie alles daran, das Filmprojekt europaweit zu stoppen. Die polnische Bahngesellschaft Rozkład jazdy PKP sagte dennoch zu.
Einige Szenen wurden (aus Trotz oder Rache?) in München gedreht.

Die beiden Berliner Graffiti-Crews KSB und ATL sind einander in herzlicher Feindschaft verbunden und messen ihre Kräfte und Künste miteinander. Wer zuerst einen Wholetrain vorweisen kann, dessen Crew hätte gewonnen.
Im Mittelpunkt stehen der Autolackierer Elyas (gespielt von Elyas M’Barek, bekannt durch Türkisch für Anfänger und die Fack ju Göhte-Trilogie), der Schüler Achim und Tino, der trotz seines Sohnes Kenny ein chaotisches Leben führt. Leader of the Pack ist David.
Weil David, Elyas und Tino schon mehrmals erwischt worden sind, kennt die Polizei ihre Adressen. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus Schulden (wegen des Schadenersatzes), der Kontrolle durch Bewährungshelfer, der Flucht vor der Polizei und der Fehde mit der ATL-Crew.
David möchte wegen seiner Schulden aussteigen, und sein Bewährungshelfer empfiehlt ihm einen Kunstprofessor, bei dem er sich vorstellen soll ...

Geändert von Servalan (22.03.2024 um 14:24 Uhr)
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