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Alt 28.04.2017, 17:04   #3681  
Peter L. Opmann
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Die etwas unmotivierte Einleitung des Dr.-Doom-Vierteilers bekommt nun doch ihren Sinn: Wir erinnern uns: Bevor die FV es mit Doom zu tun bekamen, waren sie ins Gefängnis gerufen worden, um einen Ausbruch des Zauberers und des Sandmanns zu verhindern. Letzterem gelang es doch zu entwischen. In der Zwischenzeit ist er nun offenbar ins Baxter Building eingedrungen und hat einige gefährliche Maschinen umprogrammiert. Bei der Rückkehr von Reed, Sue und Ben werden sie aktiv und erzeugen für die FV tödliche Gefahr.

Kurios, was für pseudo-wissenschaftlichen Quatsch sich Lee immer wieder ausdenkt (ich glaube nicht, daß diese Details von Jack Kirby stammen): Verrückt spielen nacheinander ein sogenannter Atomzünder (einfach eine Kanone, die Strahlen verschießt), ein Gravipolarisator (der Ding in der Luft umherwirbelt), ein elektronisches Hochgeschwindigkeitsgebläse (das Sue einschalten will, um den Sandmann wegzupusten) und schließlich – auch nicht aktiviert vom Sandmann, sondern durch ein Versehen – der Raum-Zeit-Generator, der die Pforte zur Negativzone öffnet (die in FV # 47 schon einmal dargestellt wurde).

Was ungeheuer hochgestochen klingt, ist eigentlich ganz einfach: Sandmann erzeugt giftige Dämpfe, um die FV (zu denen sich inzwischen auch die Fackel gesellt hat) umzubringen. Reed muß ein Fenster öffnen, damit das Quartett wieder Luft bekommt; es ist bloß das Fenster zur Negativzone, in die er prompt hineingezogen wird, während sich der Sandmann durch ein normales Fenster rettet. Nun ist Reed also wieder in diese fremde, äußerst gefährliche Parallelwelt abgedriftet, diesmal aber ohne Sicherungsseil, mit dem man ihn wieder zurückziehen könnte. Allerdings hatte dieses Seil auch schon in FV # 47 nichts genützt.

Das Muster der Story ist bekannt: Die FV werden wieder einmal von einem Gegner in eine vorbereitete Falle gelockt. In einer direkten Konfrontation hätte der Sandmann gegen die FV sicher weniger Chancen. Lee muß hier eine Menge Fabulierungskunst aufbieten, damit der Leser das Muster nicht sofort wiedererkennt – etwa vom ersten Teil der Story mit dem Schwarzen Panther (FV # 49). Geschickt scheint mir der Dreh, daß Sandmann erst auf Seite 8 auftritt und vorher nur die außer Kontrolle geratenen Maschinen Verwirrung stiften. Allerdings ist schon auf dem Cover zu sehen, wer da angreift. Es führte wohl kein Weg daran vorbei, ihn auf den Titel zu heben, da er ein attraktiver Schurke ist – hier zudem mit neuem Kostüm.

Zweimal wird in dieser Ausgabe die Szene gewechselt: Zunächst sehen wir, wie der Silberstürmer sein Surfbrett zurückerlangt. Die Szene ist etwas fragwürdig, denn sie legt nahe, daß seine Superkraft allein in seinem Brett steckt (was wohl nicht so ist). Ich gebe aber zu, es bringt dramaturgisch Effekt, daß nach Dooms Niederlage das Brett zu ihm zurückfliegt und er erst dann wiederhergestellt ist. Und dann werfen wir mal wieder einen Blick auf die Nichtmenschen. Crystal will nun nach ihrem Geliebten Johnny suchen, was Black Bolt ihr gestattet. Schoßhund teleportiert sie mitten auf ein Rugby-Spielfeld, wo sich Johnny zwar nicht befindet, aber sein Freund Wyatt Wingfoot. Ungenannt ist auch Peter Parker (die Spinne) anwesend, der offenbar Fotos für den Daily Bugle macht (nur ein Cameo-Auftritt).

Lange Zeit hatte ich hier eine Lücke in meiner Sammlung; erst vor ein paar Jahren habe ich FV # 57 nachgekauft. Ich weiß also nicht, wie mir das Heft als Kind gefallen hätte. Diese Episode kannte ich nicht schon in- und auswendig – ich hatte sie bisher nur einmal gelesen, ohne daß sie sich mir besonders eingeprägt hätte. Jetzt stören mich die ungezügelten Phantastereien ziemlich. Aber es ist doch ähnlich wie bei den vorhergehenden Ausgaben: Langweilig liest sich das nicht. Allerdings wandelt sich mein Grundeindruck der Serie. Bisher dachte ich, die „Fantastischen Vier“ seien weithin solide und mit Hand und Fuß erzählt; beim Neulesen merke ich, daß das in den jüngsten Ausgaben immer weniger stimmt.

Was mir noch aufgefallen ist: Auf der Splashpage erscheint die Bemerkung: „Vielleicht sind unsere Geschichten wirklich ein bißchen lang…“ Wer behauptet das? Offenbar ist das eine Anspielung auf die vierteilige Doom-Story, die tatsächlich etwas in die Länge gezogen war (und Mehrteiler waren damals im Superheldengeschäft überhaupt nicht üblich); möglicherweise gab’s in USA Leserbriefe dazu. Zudem: Die Redaktion hat in dieser Zeit wohl keine Lust, auf vorherige Ausgaben zu verweisen. Als die Nichtmenschen auftauchen, heißt es stattdessen: „Solltet gerade ihr nicht wissen, wer die unbeschreiblichen Nichtmenschen sind, müßt ihr unsere letzten Millionen Ausgaben nicht gelesen haben! Schämt euch was!“

Jack Kirby regelt seinerseits den Bombast etwas herunter. Hier werden relativ wenige großformatige Panels verwendet. Grafisch wird nicht mehr so stark übertrieben wie beim Showdown mit Dr. Doom. Typisch Kirby ist jetzt der massige Kopf von Sandmann mit riesigem Mund und ehrfurchtgebietendem Gebiß (wenn er triumphierend lacht). Gut gezeichnet, aber nicht eine seiner stärksten Arbeiten.
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