Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 15.01.2010, 06:43   #45  
arne
Operator
 
Benutzerbild von arne
 
Ort: Berlin
Beiträge: 8.142
Blog-Einträge: 3
Madila (De Spiegeleer)

Der folgende Beitrag aus dem Thread "Welche Comics habt Ihr heute gelesen?" gefiel mir so gut, dass ich fand, dass man ihn auch noch mal hier präsentieren kann:

Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Die Serie gibt es inzwischen als Intégrale bei Le Lombard. In Kürze wird ihr Name wohl auch im deutschsprachigen Raum etwas bekannter werden. Sie war verheiratet mit René Sterne, der sich für einen der neuen Bände der Serie Blake et Mortimer verpflichtet hatte. Sterne starb 2006, weswegen seine Frau, die auch seine Serie Adler koloriert hatte, das Projekt übernahm und vor einigen Wochen mit Unterstützung fertigstellte - die deutsche Übersetzung wird wohl früher oder später erscheinen.

Bei Madila ist das eher unwahrscheinlich: Diese Serie ist das Opus magnum der Absolventin der berühmten Kunstakademie von Saint-Luc in Brüssel, von der zwischen 1988 und 1995 vier Alben erschienen; ein fünftes lag komplett vor, wurde aber erstmals 2008 in der Intégrale-Ausgabe (254 Seiten) veröffentlicht.
Madila ist kein Frauenname, der Titel bezieht sich auf Madila Bay, einen Ort der Reichen und Schönen unter Palmen, in dem sich viel um Karriere, Medien, Mode und Liebesglück dreht. Deshalb gibt es jeweils eine andere Hauptfigur in jedem Band: In Madila Bay ist es eine Verkäuferin in einer Boutique, Bacardi-Coca, die bei einer Party von einem Fotografen entdeckt wird. Durch die Fotostrecke fällt sie einem älteren Regisseur auf, der aus ihr eine neue Louise Brooks machen will, woran Bacardi/Louise letztlich zerbricht.
In Rouge rubis duellieren sich die junge Musikerin Ruby und die zweite Ehefrau des Narvik-Film-Magnaten, Elena, die sich aus einem Slum hochgeheiratet hat. Bei einem Wasserskiunfall mit Elena am Steuer verunglückte ihre junge Stieftochter Ann und wurde für tot gehalten. Ist die junge Musikerin die zurückgekehrte Verschollene? oder bloß eine Erbschleicherin? Einer der besten Bände der Serie, der auf ein Prozeßdrama mit Hitchcock-Qualität hinausläuft.
In Octavie erlebt die Modeschöpferin Octavie Brink aus Ausstatterin für eine Buchverfilmung ein bittersüßes Liebesdrama mit dem Autor der Vorlage, inklusive Happy End. Quasi ein Shojo-Manga im Stil der Nouvelle Ligne Claire.
In Zelda et moi steht die Bildhauerin Lou Hendrickx im Mittelpunkt, deren Karriere von der bösartigen Radiokolumnistin Zelda (meist nur eine Of-Stimme) zerstört wird. Der Verdacht liegt allerdings nahe, daß Zelda ihr schizophrenes, paranoides Alter Ego ist.
Der letzte Band Les Yeux dans les yeux beschäftigt sich mit einer Fotografin, der Selbstmordversuch mit einem Auto gescheitert ist. Sie überlebt, allerdings blind. Dr Schakal bietet eine Operation mit geringer Wahrscheinlichkeit an, auf die sie sich einläßt. Dazu müssen die Wunden drei Monate abheilen. In dieser Zeit scheint sie den Mann ihres Lebens zu treffen, der jedoch verschwunden ist, sobald sie wieder sehen kann. Mit ihrer besten Freundin nascht sie dann Schokolade.

Die Zeichnungen sind beste Ligne Claire, an denen nichts auszusetzen ist. Die ersten drei Bände haben dabei noch eine Story im klassischen Sinne, während es sich bei den letzten Bänden eher um Variationen eines Themas handelt, extrem verspielt und experimentell, wobei die Spannung verloren geht. Sämtliche Teile strotzen vor Anspielungen und Zitaten, während wie in einem feministischen Essay Frauenrollen reflektiert werden. Was zeichnerisch zunächst Ted Benoît oder Daniel Torres ähnelt, wandelt sich über vermehrte groteske Elemente wie bei Ever Meulen und Joost Swarte zu einer quasi akademischen Stilübung, die beispielsweise mit Chris Ware und Laurent Cilluffo zu konkurrieren versucht.

Insgesamt: 8.0/10.0, dabei Bd. 1: 9.5/10.0, Bd. 2: 10.0/10.0, Bd. 3: 6.0/10.0, Bd. 4: 5.5/10.0 und Bd. 5: 7.5/10.0
Link zu den Covern:

http://www.bedetheque.com/serie-5558-BD-Madila.html
arne ist offline   Mit Zitat antworten