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Alt 20.04.2016, 21:08   #105  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 20


Die Türken vor Wien – Eine Stadt verteidigt Europa





So ganz abwegig ist der Untertitel „Eine Stadt verteidigt Europa“ nicht von der Hand zu weisen: wer weiß, wie die Geschichte nach 1529 weitergegangen wäre, wenn den Türken unter Sultan Süleyman ll, im Heft Soliman genannt, die Einnahme Wiens gelungen wäre.

Der Reihe nach: 1453 gelingt den Türken die Eroberung Konstantinopels und damit ist das Oströmisch/Byzantinische Reich Geschichte. Die Angriffskraft des Osmanischen Reiches (nach Osman l, dem Gründer des türkischen Staates), ist danach ungebrochen. Als die Türken am 27.September Wien komplett eingeschlossen hatten, standen den inklusive Tross rund 150 000 Angreifern, nur etwa 17 000 Verteidiger gegenüber. Streitigkeiten, religiöser und politischer Art, was kaum zu unterscheiden ist, verhinderten eine größere Anzahl von Hilfstruppen des Reiches. Trotzdem gelang den Türken nirgends eine Überwindung der schon etwas brüchigen Stadtmauern. Auch unterirdische Attacken schlugen fehl, große, mit Wasser gefüllte Bottiche zeigten mit leichten Wellenschlag Vibrationen, die durch die Grabungsarbeiten verursacht wurden. Dann gingen die Verteidiger in den Untergrund und schlugen die türkischen Mineure zurück. Selbst die an Zahl weit überlegene Artillerie (300 gegen gut 70 wienerische) war nicht ausschlaggebend, da es sich türkischerseits nur um leichte Geschütze handelte. Die starken Belagerungskanonen waren im herbstlichen Schlamm der sich im schlechten Zustand befindlichen ungarischen Straßen steckengeblieben. Diese waren auch der Grund für den überaschenden Abzug nach noch nicht mal einem Monat (15. Oktober) Belagerung und vergeblichen Angriffsversuchen, denn Nachschub kam nicht durch.

Im Heft wird das alles recht anschaulich geschildert, wobei das Hauptaugenmerk auf einen Graf Wolfsburg* als handlungstragender Person liegt. Diesen habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden, gehe also erst einmal von einer fiktiven Person aus. Ansonsten stimmt so ziemlich alles, wenn auch Wolfsburg an vielen Aktionen in vorderer Linie beteiligt war – aber was soll´s. Es wird natürlich vieles übertrieben, so dass die Verteidiger besser dastehen, ohne ihre „Leistung“ abwehrten zu wollen.




Das interessanteste am Heft war für mich aber die Beteiligung der es herstellenden Personen: vom Texter abgesehen, der wieder Hans-Jürgen Linden gewesen sein dürfte (immer der selbe Stil, der gleiche Anfang), teilten sich die Zeichnungen die zwei bisher am häufigsten aktiven Zeichner. Lothar Linkert und Helmut Hahn sind die Akteure, erkennbar an den Signaturen beider Zeichner. Deutlich sind sie an der abgebildeten Beispielsseite unten rechts zu sehen. Vom fertigen Produkt ausgehend, vermute ich, dass Linkert die Vorzeichnung erstellt hat und Hahn getuscht.** Warum das so geschehen ist, kann nur spekulativ beantwortet werden. Keine Zeit von einem von beiden, keine Lust, andere besser bezahlte Jobs in Aussicht? Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass von Linkert nur noch ein Heft folgte (die Nr. 21), für Hahn war es das letzte Comic Heft für die Reihe „Abenteuer der Weltgeschichte“.

*Ist das etwa ein Hinweis auf den Wohnort einer der beiden Zeichner – so ganz von der Hand zu weisen ist das wohl nicht.
**Steht so jetzt im Widerspruch zur Illustrierten Deutschen Comic Geschichte, aber ich denke, es ist hier so richtig gedeutet.
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