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Alt 02.09.2015, 14:20   #27  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Selbstverlag

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Außerdem kann ich mir vorstellen, daß Autoren, die das Kleine Einmaleins beherrschen, mit den Rahmenbedingungen unzufrieden sind. Das Manuskript liefert die Initialzündung des Verlagsprozesses und stellt ungefähr 30 % des fertigen Buches dar. Wer dafür als Debütant mit mageren 5-8 % von den Nettoeinnahmen abgespeist wird, kann sich über den Tisch gezogen fühlen. Die fehlenden 20-25 % sollten in einem fairen Vertrag zumindest mittelfristig über andere Wege (Lesungen, Vorträge, Preise) hereinkommen.
Lange Zeit galt es als literarischer Selbstmord, seine Manuskripte im eigenen Verlag unter die Leute zu bringen. Kritik und Feuilleton ignorierten solche Werke konsequent, weil es keinen Lektoren, Herausgeber oder Verleger gab, der als unbeteiligter Dritter für die Qualität (oder den Erfolg beim Publikum) bürgte.
Wer den Band von Carla Berling gelesen hat, wird erfahren haben, daß früher dabei gemauschelt wurde - und in der Weltliteratur findet sich auch der eine oder andere Fall, der das Gegenteil beweist.

Mittlerweile haben sich die Verhältnisse gebessert, so daß ein Selbstverlag (Book-on-Demand, Kickstarter und andere) als bessere Alternative erscheint. Vorsicht! Geschenkt wird niemandem etwas. Und wer sein Manuskript selbst verlegt, von dem werden dieselben Fähigkeiten gefordert wie von jedem anderen Verlag auch. Bis das Buch angeboten werden kann, wird ein gewisser Einsatz an Geld und Zeit gefordert, der in der Folge beim Schreiben fehlt.
Gerade wegen des wachsenden Angebotes wird auch hier Professionalität verlangt, und das Publikum erwartet ein Produkt, das auf dem Markt konkurrieren kann. Bevor das eBook freigeschaltet wird oder das Buch in den Handel kommt, werden auch im Selbstverlag etliche Wochen oder Monate vergehen. Ein überhasteter Schnellschuß mit dem erstbesten Cover kann das Buch leicht ins Abseits befördern, wo es vergessen wird.

Deshalb beginnt der Weg zum selbstverlegten Buch meist mit einem Grundlagenseminar (meist ein Tagesseminar von 7-8 Stunden). Etwas Nachhilfe in Sachen Recht und Steuern wird in der Regel nötig sein.
Dann müssen professionelle freie Mitarbeiter geworben und entlohnt werden. Der Rattenschwanz an notwendigen Tätigkeiten wird länger und länger ... und ob die Rechnung aufgeht, steht in den Sternen.

Der goldene Mittelweg besteht in einer gesunden Mischung beider Welten. Wer schreiben will, informiert sich über neue Möglichkeiten. Wer jedoch die Wahl hat, überläßt den leidigen Papierkrieg und das mühselige Tagesgeschaft den Agenturen, den Verlagen und dem Buchhandel.

Falls etwas mit Herzblut der Schere zum Opfer fällt, bleibt immer noch der Selbstverlag als Ergänzung für treue Fans. Ein berühmtes Beispiel ist Marc Degens' Debütroman Vanity Love (1997). Der Alkyon Verlag verlangte von ihm damals, ein Kapitel seines Romans zu kürzen, sonst gäbe es keine Veröffentlichung. Degens ließ sich darauf ein, brachte das übergangene Kapitel jedoch unter dem Titel Hure Liebe. Verschwiegene Wahrheit (1997) in eigener Regie heraus. Durch diese Stategie fällt er in die Kategorie Hybrid-Autor, die bessere Verhandlungsmöglichkeiten eröffnet.
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