Thema: Filmklassiker
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Alt 24.04.2024, 06:08   #2046  
Peter L. Opmann
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Wieder mal eine filmhistorische Kuriosität: „Ich tanze in dein Herz“ (1948) von Phil Karlson. Dieses Beinahe-Filmmusical wäre vergessen, wenn es nicht der erste Film von Marilyn Monroe wäre. Stimmt nicht ganz: Sie war Fotomodell und wurde von der 20th Century Fox sozusagen auf Verdacht unter Vertrag genommen (wie viele andere hübsche Mädchen). Sie spielte in zwei Filmen vor „Ich tanze in dein Herz“. Aus dem einen wurde sie fast komplett herausgeschnitten, in dem anderen spielte sie nur eine kleine Nebenrolle. Damit war der Vertrag zuende, und Columbia engagierte sie für dieses Werk. Ein unbedeutender B-Film, nur 60 Minuten lang, aber da hatte sie eine der Hauptrollen. Offizieller Star des Films ist Adele Jergens, aber nachdem Monroe zur Leinwandgöttin aufgestiegen war, kam er als Marilyn-Monroe-Film erneut ins Kino. Trotzdem faßte Monroe auch bei Columbia nicht Fuß. In Deutschland lief der Film nicht, sondern wurde in den 1990er Jahren von RTL erworben und, weil er nicht mehr zeitgemäß war, schließlich auf SuperRTL gezeigt. „Ich tanze in dein Herz“ hat eine simple und belanglose Story, aber ich habe keine großen Schwächen entdeckt, und ich würde sagen, Marilyn Monroe zeigt im Prinzip schon vieles, was später Filme wie „Wie angelt man sich einen Millionär“ oder „Machen wir‘s in Liebe“ auszeichnete (abgesehen davon, daß sie hier für eine Sexbombe noch viel zu brav ist). Kann freilich sein, daß ich von dem großen Namen geblendet bin.

Sie spielt eine Revuetänzerin, die zur Hauptattraktion ihrer Show aufsteigt und dadurch die Aufmerksamkeit des Geschäftsmanns Rand Brooks auf sich zieht. Er macht ihr den Hof und will sie schließlich heiraten, aber Monroes Mutter (Jergens), selbst eine Tingeltangel-Tänzerin, ist dagegen. Wie sie erzählt, hat sie schlechte Erfahrungen gemacht: Einst hat sie einen Mann mit gesellschaftlicher Position geheiratet, wurde aber von seinem Umfeld immer abgelehnt. Die Ehe scheiterte. Davor will sie ihre Tochter bewahren. Brooks‘ Mutter (Nana Bryant), die durchaus abzuchecken versucht, welche Verbindungen Monroe zur High Society hat, erfährt daher gar nicht, wer dieses Mädchen ist. Als es bei der Verlobungsfeier herauskommt, reagiert die Festgesellschaft schockiert, wie erwartet. Aber da wirft sich Bryant für das Paar in die Bresche: Sie singt eine Revuenummer und behauptet, sie selbst sei ursprünglich auch Varietékünstlerin gewesen. Das ist zwar erfunden, aber nun kann niemand mehr etwas gegen die Hochzeit sagen. Bei dieser Gelegenheit bekommt auch Mutter Jergens einen neuen Mann ab…

Der Schluß ist natürlich ziemlich unglaubwürdig, um nicht zu sagen: verlogen. Wenn ich jedoch speziell den Auftritt von Monroe betrachte, so ist sie in diesem Film eine naive, aber sehr liebreizende Blondine. Sie ist bereits eine einnehmende Sängerin und Tänzerin, und sie wirkt vor der Kamera völlig natürlich – was in ihren großen Filmen ihre besondere Stärke war. Ihre Figur steht allerdings sehr unter dem Einfluß ihrer Mutter, und sie fügt sich da immer widerspruchslos; das gab es später nicht mehr. Wenn man sich das Verzeichnis der Filme ansieht, die sie gedreht hat, hatte sie bis zum großen Durchbruch noch einen weiten Weg vor sich. Der wird allgemein in dem Henry-Hathaway-Thriller „Niagara“ gesehen. Das war ihr 19. Film.

Interessant finde ich, wie die Öffentlichkeit auf die frühe Monroe reagiert hat. Über die Wirkung des Films habe ich nichts Näheres gefunden, nicht einmal, mit welchem A-Film er zusammengespannt wurde. Im „Motion Picture Herald“ hieß es aber immerhin: „Einer der Vorzüge dieses Films ist Miss Monroes Gesang. Sie ist hübsch und zeigt – mit ihrer angenehmen Stimme und ebensolcher Ausstrahlung – vielversprechendes Talent.“ Da alle Schauspieler in „Ich tanze in dein Herz“ solide Leistungen zeigen, ist es nicht selbstverständlich, daß ein Kritiker auf sie besonders eingeht. John Huston (bei dem sie in „Asphaltdschungel“ mitwirkte) sagte über sie: „Bei mir spielte Marilyn Monroe ihre erste richtige Filmrolle, und ich kann nicht behaupten, daß ich auch nur die leisteste Ahnung hatte, was noch aus ihr werden sollte. Ich fühlte aber, daß sie in diesem Film gut sein würde und habe sie deshalb auch unter einer ganzen Reihe von Mitbewerberinnen ausgewählt. Allerdings hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen, wie weit sie es noch bringen würde.“ Otto Preminger, der sie bereits als Superstar in „Fluß ohne Wiederkehr“ besetzte, sagte dagegen: „Trotz der Tatsache, daß sie auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist, war sie nicht das große Genie, das die Leute gern in ihr sehen. Sie war ein liebes Mädchen mit einem sehr beschränkten Horizont.“

(Alle Zitate aus Conway/Ricci: Marilyn Monroe und ihre Filme. München, 1980)
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