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Alt 01.03.2016, 17:49   #38  
Servalan
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Standard Émile Zola: Geld / L'Argent (1891)

diverse Ausgaben, darunter Die Andere Bibliothek Band 28 Greno 1987 sowie in der Literaturkassette zum 100. Band der Anderen Bibliothek Eichborn 1993, zuletzt Insel Verlag 2012
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Geld_(Zola)
https://fr.wikipedia.org/wiki/L'Argent
http://gutenberg.spiegel.de/buch/das-geld-5845/1 (Volltext)
http://www.tagesspiegel.de/kultur/li...g/1150854.html

Vor und nach Émile Zola hat es etliche Autoren gegeben, die das gesellschaftliche Leben ihrer Epoche in Zyklen oder Reihen von Romanen geschildert haben: Zu den berühmtesten gehören Hooré de Balzacs La Comédie humaine (Die menschliche Komödie), Marcel Prousts À la recherche du temps perdu (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) oder Thomas Hardys Wessex-Romane. Ähnlich wie Fernsehserien heutztage bieten diese locker miteinander kombinierten Werke ein breites Panorama, das sich meist über mehrere Generationen und durch die unterschiedlichsten Milieus erstreckt.

Zola hat einige Jahre Pressearbeit bei dem Pariser Verlag Hachette geleistet, bevor er zunächst politischer Journalist und dann Romancier geworden ist. Sein 20-bändiges Opus Magnum, der Romanzyklus um die Familie Rougon-Macquart (Les Rougon-Macquart. Histoire naturelle et sociale d’une famille sous le Second Empire, deutsch: „Die Rougon-Macquart. Die Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich“) entstand über mehr als 20 Jahre, nämlich von 1869 bis 1893.
Ursprünglich plante Zola ein Abbild seiner Epoche, des Zweiten Kaiserreichs unter Napoleon III. 1852 bis 1870. Als die letzten Bände in den Handel kamen, war sein naturalistischer Positivismus allerdings schon wieder aus der Mode gekommen. Unter dem schriftstellerischen Nachwuchs, den er in seinem Landhaus in Médan bewirtete und betreute, befanden sich Abtrünnige wie Joris-Karl Huysmans, deren moderner Mystizismus seine Werke altbacken aussehen ließ. Zolas Engagement in der berüchtigten Dreyfus-Affäre ließ seine Auflagenzahlen weiter sinken.

Irgendwie braucht ein solch anspruchsvolles Projekt ein bindendes Konzept und das fand Zola in der Wissenschaft. Zoila tastete sich Stück für Stück an den Punkt heran, an dem für ihn alles klar und folgerichtig wird. Seine Duftmarke setzt er in seinem dritten Roman Thérèse Raquin (1867), einer Dreiecksgeschichte, mit dem ihm der Durchbruch gelingt. Für damalige Verhältnisse war der Bestseller experimentell, aber Zola baut in seinem Vorwort seinen Ansatz zu einer Formel aus: Gefeierte Wissenschaften der damaligen Zeit wie eine deterministische Biologie (Vererbung) vermischen sich mit Milieus, die in Leitartikeln gehandelte Probleme (sogenannte Arbeiterfrage, Frauenfrage, Alkoholismus usw.) als Familiendramen abhandelt.

Ich habe mich für Zola entschieden, weil er damit ein Muster liefert, das noch heute üblich ist und auch in anderen Medien angewandt wird. Seine thematische Fokussierung liefert gewissermaßen die Blaupause für all die erfolgreichen Krimireihen, von Maj Sjöwalls und Per Wahlöös Martin-Beck-Zyklus über Henning Mankells Wallander-Romane bis zum Tatort.

Natürlich schwankt die Qualität innerhalb der Rougon-Macquart beträchtlich: Unbestritten zur Weltliteratur gehören eigentlich nur die beiden Romane Nana (Band 9 über das Theater-Milieu, 1880) und Germinal (Band 13 über Bergarbeiter, 1885). Die meisten Bände zählen zum literarischen Mittelfeld, was heißt: sie lassen sich immer noch gut schmökern, aber sie reißen einen nicht vom Hocker. Je nach persönlichen Interessen lassen sich deshalb verschiedene Einzelbände empfehlen.

Geld (Band 18) wurde das letzte Mal in der Finanzkrise 2008 wiederentdeckt. Zu der Zeit entstanden Dutzende von Rezensionen, Artikeln und Beiträgen in politischen Zeitschriften wie zum Beispiel Berliner Republik, außerdem wurde der Roman als dreiteiliges Hörspiel bearbeitet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellten Kanäle (Panama, Suez, Nord-Ostsee-Kanal) und Eisenbahnen (Wettrennen der Unternehmen in den USA) finanzielle Prestigeprojekte dar. Zola zeichnet allerdings ein desillusionierendes Bild der Finanzindustrie.
Der Ingenieur Georges Hamelin ist ein Idealist, der davon träumt, durch ein Eisenbahnnetz im Mittleren Osten Pilger an die wichtigsten Stätten des Christentums zu befördern. Leider fehlt ihm das Geld. Deswegen wendet er sich an seinen Nachbarn Aristide Saccard, der Erfahrungen an der Pariser Börse hat. Saccard verschweigt Hamelin, daß er bankrott ist, und gründet mit ihm ein gemeinsames Finanzunternehmen, die Banque Universelle.
Kurz darauf befindet sich der praktisch veranlagte Hamelin auf Reisen. In seiner Begeisterung hat er Freunde und Verwandte von seinem Projekt überzeugt, die ihre Notgroschen ihm zuliebe in Kleinaktien angelegt haben. Hamelins Vertrauen scheint gerechtfertigt, schließlich steigt der Kurs.
Aber Saccard hat andere Pläne, Banque Universelle ist für ihn nur Mittel zum Zweck. Mithilfe seines Bruders, des Ministers Eugène Rougon, will Saccard den ihm verhaßten jüdischen Bankiers eins auswischen und manipuliert deshalb die Kurse ...

Geändert von Servalan (01.03.2016 um 19:18 Uhr)
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