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Alt 30.11.2023, 21:08   #8030  
God_W.
Captain Rezi
 
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Flash von Francis Manapul (Deluxe Edition)



Wenn ein Zeichner gleichzeitig auch Autor ist, wirken die Werke, die entstehen, wenn jemand beides in Personalunion durchziehen darf, oftmals sehr harmonisch und es ergibt sich ein Gesamtbild, welches wie aus einem Guss daherkommt. Da können wahrlich großartige Dinge entstehen. Oft ist es aber auch so, dass ein Künstler und Schreiberling in einer der beiden Disziplinen deutlich besser ist als in der anderen, was dann nicht so ideal ist. Hier haben einen Band, der irgendwo dazwischen anzusiedeln ist.

Nach dem Reset in „Flashpoint“ blieb die Mythologie um den Barry-Allen-Flash im Kern die Gleiche wie zuvor. Kindheitstrauma durch getötete Mama, Paps unschuldig im Knast, Barry geht als forensischer Ermittler zur Polizei, Labor, Chemikalien, Blitz – Supergeschwindigkeit. Alles beim Alten also, allerdings steht Barry hier noch am Anfang, was die Erforschung seiner Kräfte und Möglichkeiten angeht. Wie genau er die Speedforce anzapft, was genau die überhaupt ist un, was er alles kann, das befindet sich noch in einem Schwebezustand mit Fragezeichen drumherum.

Ganz coole Ausgangssituation, vor allem auch für Neueinsteiger, zu denen ich mich ebenfalls dazu zähle, immerhin ist das hier nach der Flash-Anthologie, dem Morrison-/Millar-Run, Flashpoint und der Comic-Vorgeschichte zum Kinofilm erst mein fünfter Band um den roten Blitz. Spoiler: Es wird auch mein vorerst letzter sein, denn auch wenn das alles nicht wirklich schlecht ist, so kann es mich doch nur mäßig begeistern, trifft einfach nicht so richtig meinen Geschmack.

Großer Pluspunkt ist die Optik, denn was Francis Manapul mit seinem Co-Autor Brian Buccellato, der hier ebenso für die Kolorierung von Manapuls Artwork verantwortlich zeichnet, auf die Seiten zaubert sieht einfach schön aus. Hell, freundlich, geschmeidig und dynamisch kommt das Artwork daher. Zwar werden keine Pokale in Sachen Detailgrad gewonnen, aber der lebendige, bleistiftartige Strich mit den ausdrucksstarken Gesichtern und der gelungenen Farbgebung, die streckenweise im positiven Sinn an „Ausmalen mit Holzbuntstiften“ erinnert, ist einfach wunderbar gefällig anzuschauen. Dazu die Heft um Heft enorm kreative Einbindung des „Flash“-Schriftzuges, da wurden ja gar eisnersche Spirit-Erinnerungen bei mir geweckt. Großes Kino für die Augen!

Rein erzählerisch kommt mir der Band zum größten Teil aber etwas seicht vor. Klar, man ist wieder mit einer neuen #1 gestartet, da will man (Neu-)Leser sicherlich nicht direkt überfordern, aber über eine Strecke von insgesamt zwei Jahren hätte ich da zumindest mit der Zeit etwas mehr Tiefgang erwartet. Die Passagen um Captain Cold, Heatwave und allgemein die Entwicklung der Rogues sind erst actiongeladen, später witzig und zumeist sympathisch. Die anfängliche Dramatik, die da reingebracht werden soll, zündet bei mir leider nicht so wirklich. Der Storybogen um Grodd und seine Gorillas bringt dann wenigstens eine spannende, neue Sichtweise der ganzen Mythologie der Affenbande hervor.

Natürlich bekommt auch der Reverse-Flash einen großen Storybogen spendiert, der durch einige heftige Szenen und massig Speed-Action punkten kann. Am interessantesten fand ich im Kern jedoch die frühe Story um Mob Rule, die Truppe, die aus Abkömmlingen von Manuel Lago besteht, einem Barrys früherem besten Freund, der einer Mischung aus James Bond und Batman nahekommt. Die übrigen „Villain of the Month“-Episoden gehen alle klar, reißen aber nicht vom Hocker, die Überschneidungen mit serienübergreifenden Events und Krisen wie „Forever Evil“ oder „Batman – Jahr Null“ hätte ich sowieso nicht gebraucht, war aber halt auch von Manapul und gehört deshalb in diesen Band.

Gesamtheitlich gesehen trotz der 772 Seiten Umfang, die knapp 40 Seiten Bonusmaterial in Form von Einleitung, Variantcover-Galerie, Skizzenbuch und Infos über Autoren und Zeichner abdecken, enorm kurzweilige Superhelden-Unterhaltung, die zumeist klasse aussieht (bis auf einige Ausreißer, wenn Manapul mal nicht den Zeichenstift führte), vermutlich aber auch nicht lange im Gedächtnis bleibt, zumindest bei mir. Im direkten Vergleich mit dem Morrison/Millar-Band erzählerisch knapp dahinter, dafür in Sachen Optik (bei mir) eine Nasenlänge vorne.

7-7,5/10

VG, God_W.

Geändert von God_W. (30.11.2023 um 21:15 Uhr)
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