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Alt 24.10.2017, 20:51   #38  
Peter L. Opmann
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Heute habe ich mir einen ziemlich seltsamen Film auf DVD gekauft, nämlich diesen hier:

www.filmstarts.de/kritiken/117676.html

Ich habe ihn aus einem Ein-Euro-Shop. Eigentlich habe ich kein besonderes Interesse für Filme, die in der Nazizeit in Deutschland entstanden sind, aber bei diesem Kauf, dachte ich, kann ich nicht viel falsch machen. Die Karl-May-Verfilmung ist sicherlich kein Meisterwerk, weist aber doch einige Besonderheiten auf.

Diese frühe Verfilmung gilt als langweilig, und das stimmt auch. Man entschied, Karl May möglichst originalgetreu zu verfilmen, und May hat einfach nicht filmtauglich geschrieben. Wir verfolgen die Reise von Kara Ben Nemsi (Mays angeblichem Alter Ego) und Hadschi Halef Omar durch den Orient, und dabei reihen sich einige abenteuerliche Episoden aneinander. Spannungsbogen gibt’s praktisch keinen. Es wurden nur drei Bösewichter aus dem Roman zu einem kombiniert. Aber es wechseln sich Actionsequenzen mit Phasen ab, in denen die beiden Helden einfach nur unterwegs sind. Das ist nichts für Actionfreunde.

Aber die Filmcrew hat sich wohl schon etwas dabei gedacht, denn überraschenderweise wurde mehrere Wochen lang in Ägypten, also praktisch an Originalschauplätzen gedreht. Innenaufnahmen entstanden danach in Berlin. Durchaus beachtlich finde ich, daß man keinen großen Unterschied zwischen ägyptischen Städten und Landschaften und Berliner Kulissen bemerkt. Ich bin natürlich kein Orientkenner, aber die Details (Kostüme, Bräuche, Architektur) wirken auf mich ziemlich glaubhaft. Der Regisseur, Johannes Alexander Hübler-Kahla, hat sich auch vor allem als Dokumentarfilmer hervorgetan. Man wird dabei Karl May durchaus gerecht, denn die Faszination seiner Bücher speist sich zu einem Gutteil aus der Exotik der Länder, die er angeblich bereist hat.

Interessant fand ich aber auch den Actionhelden Kara Ben Nemsi (Fred Raupach). Die Dreharbeiten waren in dem Jahr, in dem Errol Flynns erster großer Film „Unter Piratenflagge“ in die Kinos kam. Keine Ahnung, ob der in Deutschland gezeigt werden durfte, aber da Frieden herrschte und der Film keine antideutschen Tendenzen hatte – warum nicht? Raupach sieht nicht nur Flynn ein bißchen ähnlich. Er fechtet, kämpft und klettert auch ähnlich wie er. Das fand ich besonders bemerkenswert: Wenn der Film sich mal zu einer Actionszene aufschwingt, dann ist die nicht unbedingt schlechter als das, was Hollywood damals anzubieten hatte. Das einzige Manko ist also, daß es keine durchgehende und von Anfang bis Ende packende Actionstory gibt, sondern eben nur den Karl-May-Stoff.

Die DVD hat zwar keine besonderen Extras zu bieten, aber immerhin einige Texte, in denen man Näheres über die Produktion, Stab und Darsteller erfährt. Produziert wurde der Film von der Lothar-Stark-Film GmbH, einer Außenseiterfirma im deutschen Filmgeschäft. Weil Lothar Stark ursprünglich Kommunist war, haben die Nazis erst seine Arbeit behindert und die Firma dann ganz dicht gemacht. Die Darsteller sind weithin unbekannt. Fred Raupach hätte das Zeug zu einem großen Filmhelden gehabt, er fiel aber 1942 im Zweiten Weltkrieg. Und so gibt es eine Reihe von eher traurigen Biografien. Kritiker machen sich darüber lustig, daß Hadschi Halef Omar (Heinz Evelt) einen sächsischen Akzent habe. Den habe ich nicht bemerkt, aber es ist klar, daß die Muslime alle von biederen Deutschen gespielt werden – wie hätte es auch anders sein sollen? Kostüm und Maske sind trotzdem sehr gut.

Kuriosum am Rande: Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar werden mit zwei Frauen zusammengespannt (Katharina Berger und Gretl Wawra). Die sind durchaus apart und machen ihre Sache nicht schlecht. Alles steuert auf eine Doppelhochzeit zu, nachdem der Bösewicht (Erich Haußmann, Großvater von Leander Haußmann) zur Strecke gebracht worden ist. Dann sieht man die beiden aber plötzlich wie Lucky Luke in den Sonnenuntergang reiten – ohne Frauen natürlich und wie das wohl von Karl May auch vorgesehen war.

In dem Bewertungssystem von Retro würde ich dem Film – wegen des ungewöhnlichen Drumherums – 5 von 10 Punkten geben. Ohne das 3.
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