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Alt 11.03.2017, 22:08   #199  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 53


Die Seidenstrasse, Das Geheimnis im Pilgerstab






„Die“ Seidenstraße gab es schon mal nicht! Sie war eine Handelsroute, die sich je nach politischen und klimatischen Bedingungen änderte. Im Heft wird sehr lang auf den Beginn der Seidenraupenzucht eingegangen. Vom legendären Chinesischen Kaiser Schen nung (ca. 3000 v.d.Z.) oder Shennong, der allerdings mehr mythisch ist und die Zucht der Seidenraupen im großen Stil voran treibt, springt der Bericht zum Kaiser Huang ti, der unter Todesstrafe die Ausfuhr des Maulbeerbaumsamens, dessen Blätter die Seidenraupe frisst, stellt, geht die Zeitreise weiter bis Alexander dem Großen (um 280 v.d.Z.), ohne das bis zur Seite 26 etwas zur „Seidenstrasse“ selber ausgesagt worden ist – schon sonderbar.








Selbst Nero spielt mit, ab der Seite 25 sieht man ihn, wie er ein Fischernetz in den Händen hält. „Erfreut kehrt er an seinen Teich zurück und findet dort ein neues Netz vor. Er nimmt es zwischen seine dicken, kurzen Finger (was soll das „Monster“ Nero auch sonst für Extremitäten vorweisen). Es besteht aus asiatischen Goldfäden, es ist geschmeidiger als alle anderen Netze vorher. Seide und Gold sind miteinander verbunden. Oh, das muß einen schönen Stoff für die Frauen geben!“ denkt er sich. Immerhin gesteht ihm der Autor zu, auch an andere zu denken, als nur an sich selbst. Aber das er hier, lt. Text im Jahre 58, zum ersten Mal mit Seide in Berührung kommt, ist natürlich falsch.

Eine Art Seidenstraße gab es schon Jahrhunderte zuvor und lange, bevor der Festlandsweg durchs innere Asiens ungefähr im dritten Jahrhundert zwischen China und dem Westen offiziell eröffnet wurde: Der Seeweg von chinesischen Häfen aus über Indien und entweder in den Persischen Golf hinein und von dort an die Mittelmeerküste, oder durch das Rote Meer nach Ägypten, waren schon lange zuvor die Hauptverkehrswege von Ost nach West und umgekehrt. Nebenbei wurde natürlich nicht nur Seide transportiert, dann würden ja die Karawanen oder Segelschiffe zurück leer fahren, sondern diverse Güter und Ideen. Aus dem Osten kamen auch Jade, Porzellan, Lacke nach dem Westen und umgekehrt erreichten China Gold und Glas. Selbst Religionen verbreiteten sich über den Verkehrsweg: der Buddhismus gelang aus Indien nach China und Japan, und das Christentum fand ebenfalls in China, vor allem aber in Korea seine Verbreitung. Von alledem ist im Heft nicht die Rede.








Den weiter oben erwähnten Alexander aus Mazedonien sehen wir hier … hier? Sind das nicht Römer? Der Kleidung nach ja, aber es soll sich um die Makedonen und ihre Verbündeten handeln. Seltsam, aber so ist es gezeichnet. Auch seine Schlachten an Indiens Westen und der Abzug nach Hause wird behandelt, aber was das mit der Seidenstraße zu tun hat (von Roxanes Seidenkleid, das Alexander bewundert, mal abgesehen)?

Auch Alarich und seine Westgoten (um 400), sieht man in 2 Bildern auf den Straßen Roms. Sie verlangen Tribut, bekommen ihn, aber es ist nur von Gold und Silber und 4000 kostbaren Gewänder die Rede, Seide explizit wird nicht erwähnt.

Zu guter Letzt ist von Justinian (+565) die Rede: dieser Oströmische Kaiser gilt als der letzte der antiken Herrscher, nach ihm war die Fiktion eines Römischen Reiches endgültig vorbei; aber das nur am Rande. Zu Theodora, der Gattin Justinians kamen zwei Mönche, die ihr versprachen, dass sie die Grenzblockade der Perser (natürlich der Sassaniden) gegenüber China und damit dem Erliegen des Seidenhandels umgehen könnten. Sie versprachen Eier der Seidenraupe aus China nach Byzanz herauszuschmuggeln und zwar in ihren … Pilgerstäben, womit wir den rätselhaften Titel endlich erklärt haben  Es gelang ihnen natürlich, obwohl es wissenschaftlich mehr als zweifelhaft ist, dass die Eier die monatelange Reise lebendig überstanden haben können. Auf jeden Fall aber beginnt mit Justinian – und Theodora – die Seidenraupenzucht im Westen und damit endet der Comicteil des Heftes.

Zusammengefasst würde ich sagen: „Thema verfehlt“ setzen! Klar war das alles interessant, selbst die Plattitüden mit Nero und den römischen Mazedoniern, aber weshalb dafür die Seidenstraße als Titelgeber herhalten muss …

Die Bezeichnung „Seidenstraße“ gibt es nicht von alters her, sie ist eine moderne Sprachschöpfung: der deutsche Geograf Ferdinand von Richthofen (1833-1905) benannte diesen Handelsweg so. Fehlt mir auch im Heft.

Auf der 2ten Umschlagseite ist eine Zeichnung der Entwicklung des Seidenraupenspinners dargestellt.

Die Seiten 3,4 und 32 behandeln China, Land und Leute. Zwar nett geschrieben, aber schon damals, im Mai 1957, war es schon nicht mehr ganz aktuell, es wurde nicht auf Mao und den kommunistischen Umbruch eingegangen.

Endlich heißt der Titel des Heftes 57 nicht mehr „Kabel zur neuen Welt“, sondern den dann tatsächlichen „Die Guillotine regiert“.

Ab dem Heft 13 kann man nachbestellen, siehe Seite 34.

Die Vorschau auf der 3ten Umschlagseite ist „Käpt´n Huck, Forscher zwischen Korallenbänken und Eisbergen“ gewidmet.

Ein chinesischer Mandarin muss als Uniformträger durch die Jahrhunderte herhalten (Reklame für Peligom).
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