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Alt 08.02.2009, 17:47   #29  
Peter_Wiechmann
am 11.01.2020 verstorben
 
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Der dritte Gedächtnisritt durch die staked plains der Erinnerung




1967: Nach einer freiwilligen Auszeit von fast zwei Jahren ließ ich mich von Rolf Kauka wieder zu den Comics zurück ins Schloss locken.

Von Köln-Dünnwald nach Grünwald!

LUPO-modern gab es da dann längst nicht mehr, TIP-TOP hatte gerade abgedankt, SUPER-Tip-Top überlebte und BUSSI-BÄR kämpfte ... gegen höchste Bedenken der Pädagogen, die im bunten Bild keine echten Botschaftsvermittler für Kleinkinder sehen konnten.

Wir schon!

Mein alter Schreibtisch war immer noch nicht zusammengebrochen.
Ich bekam aber trotzdem ein neues Möbelstück samt neuem Titel (Redaktions- und Produktions-Direktor) und residierte in der ehemaligen stilgerecht – für einen Pfarrers-Enkel - Schlosskapelle.

Dort sann ich über weitere Magazine – neben FF und BB – nach und nutzte Aufbruchstimmung samt Markgegebenheiten für das Erweitern des Kauka-Programms um eine stattliche Menge sehenswerter Neuerscheinungen:

FF-EXTRA, KAUKA-COMIC, PIP, PRIMO, TOM&BIBER, BUSSI-SPIEL, FF-ALBUM, PEPITO, ACTION-ALBUM, SUPER-ACTION, FF-SUPER, SUPER-SPASS, FF-JAHRBUCH, WESTERN-MAGAZIN, PEPITO-POCKET, KARL MAY EXTRA ...

Der Fleiß hat sich gelohnt, denn kürzlich schrieb mit ein Leser von einst: „Herzlichen Dank für die Comics unserer Kindheit!“





1968/69: Eine achtseitige Umfang-Erweiterung von FIX&FOXI sollte für mehr Kaufpreis auch einiges mehr bieten.

Und dieses Mehr sollte meiner Meinung nach ein Kontrastprogramm zum Comic sein. Ich setzte auf Abenteuer und ließ den TRAMP durch Dschungel, Sand- & Schnee-Wüste und Prärie eilen. Zu Fuß, Railway, Dromedar, Kanu, Floß, Pferd, Jeep, Hundeschlitten ... immer der jeweiligen Gefahrenlage entsprechend.

Anfangs mangelte es mir an guten Illustratoren für meine drei Storys pro Woche. Dann entdeckte ich ‚Kosta’ in einer Dachkammer des Schlosses und aktivierte den zwei-Meter-Mann aus Jugoslawien ( = ja, so hieß diese Weltgegend damals noch) für den TRAMP.

Kosta zeichnete und ich textete im Wettlauf mit den Druckterminen und trotz unterschiedlicher Muttersprachen verständigten wir uns schnell und gut per Zeichensprache, Intuition und ‚Bleistift’.

Heißt: ich krakelte ihm unbeholfene Skizzen möglicher Szenen auf das Papier und er machte daraus perfekte Tuschezeichnungen.

Irgendwann fiel mir dann wieder der Name Joaquin Murietta ein und im TRUE WEST ein Bericht über den schießfertigen Mexikaner in die Hände. Daraus entstand dann ein achtseitige Wild-Mexico-Sonderausgabe des TRAMP.

Rolf Kauka monierte auf einer Zeichnung zwei in das Bild baumelnde Stiefelbeine und wir entschärften: Der Henkersstrick führte jetzt den Beschauerblick ins Leere über dem Bild und ein Blatt taumelte dekorativ zu Boden. Der dazugehörige Text erläuterte ...




Die wilden Abenteuer-Geschichten des TRAMP liefen zwei (?) Jahre und dann gingen Kosta und mir die Puste aus. Ich hob die Serie meines Freundes Alberto Giolitti ins Heft: Die Prärie brennt! Meisterhaft gezeichnet!



Italienischer Western-Zeichner A. Giolitti / Comic-Könner und großer Zeichner: V. Kostanjsek = Kosta



1969: Mit Sarg und Cowboy-Cover-Girl auf dem Titel und viel gunsmoke im Inhalt ging unser WESTERN-Magazin an den Start.

Mein Freund Götz in Kanada hatte den Kontakt zum Verleger von Fan-Magazinen wie GOLD, TRUE WEST, FRONTIER TIMES hergestellt. Der stellte uns sein Archiv freundlich grinsend zur Verrfügung: „Macht mal! Wenn ihr meint, in Old Germany besteht Interesse am Old West .. go on!“




Wir legten los – natürlich ohne Budget und meist in der Freizeit. Günter Ropertz gestaltete, Manfred Klinke, Walter Weil und ich texteten.

„Jesse James lebt!“ schrie die Schlagzeile des Titels. Es war die Story eines - damals noch lebenden – Doppelgänger des guten James, der in dieser Rolle in den USA für erhebliche Fragezeichen sorgte.

‚Der Marathon der 1000 Meilen-Mustangs’ unterrichtete über eine Wette, die in einem Wahnsinnsrennen über 1000 Meilen gipfelte.

Über das Massensterben der Kulis beim Bau der Eisenbahnen quer durch den Kontinent informierten wir in harter Aufklärermanier.

Kein gängiges Thema blieb unbeleuchtet und jeder Fact spiegelte sich in Dokumentarfotos. Doch die erste Ausgabe blieb die letzte: der Vertrieb senkte bei 10.000 – ohne jede Werbung - verkaufte Exemplaren den Daumen. Das zweite Heft – schon druckfertig – verschwand in den Schubladen.

Die später dämmernde Erkenntnis: Die wirkliche Wahrheit über den Wilden Westen war nicht die wahre Ware für den Kiosk!

Dieses Genre lebte von Anfang an von der Fiktion, die sich schnell zum Mythos erhöhte.



Peter Wiechmann alias Chief Editor Lee O’Hara


... die Western-Wallfahrt geht weiter ...
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