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Alt 25.01.2018, 19:53   #62  
Servalan
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Gerhard Richter – Painting (Deutschland 2011, zero one film in Koproduktion mit Terz Film, WDR, MDR in Zusammenarbeit mit ARTE mit Unterstützung von MEDIA, FILMSTIFTUNG NRW, BKM, DFFF), Drehbuch und Regie: Corinna Belz, 2. Kamera: Gerhard Richter, 97 min, FSK: 0

Auf den ersten Blick ähnelt das Konzept dieses Dokumentarfilms Henri-Georges Clouzots Le Mystère Picasso | Picasso (Frankreich 1955- siehe oben #9 in diesem Thread): Das Publikum schaut in die Werkstatt eines berühmten Malers und darf zusehen, wie Gemälde live entstehen. Leider täuscht der erste Eindruck.
In gewisser Weise gehen Picasso und Gerhard Richter diametral entgegengesetzt zu Werke: Picasso fabriziert seine 20 Gemälde (fast wie bei Ford am Fließband) in Serie - und verwirft keines. Richter hat dagegen bloß einen Auftrag für zwei abstrakte Gemälde angenommen, aber die verschwinden zum Schluß unter Deckweiß, weil sie ihn nicht zufriedenstellen.

Angenehmerweise verzichtet der Film auf einen platten Lebenslauf, statt dessen sind zu Beginn prägnante Szenen auf zwei früheren Dokumentationen eingestreut.
Gerhard Richter mag es nicht, wenn ihm jemand bei der Arbeit über die Schulter schaut (mir geht es ähnlich). Die erste Sequenz zeigt deshalb als Mini-Making-of, wie er die zweite Kamera auf einen Stativ befestigt.
Obwohl ihn andere Künstler beneiden, weil ihm der Durchbruch gelungen ist und er mit seinem Atelier quasi einen mittelständischen Betrieb erfolgreich führt, wird sein künstlerischer Zwiespalt deutlich. Bei einer Pressekonferenz bedauert er nämlich, daß ihm durch seine Verpflichtungen im Rampenlicht Zeit zum Malen verlorengeht.

Um sofort loslegen zu können, beschäftigt er zwei Assistenten in seinem geräumigen Atelier: Norbert Arns und Hubert Becker. Während die Ateliersekretärin Konstanze Ell seine Termine koordiniert und ihn von der Büroarbeit entlastet, sorgen Arns und Becker dafür, das sich Gerhard Richter nur noch mit der vorbereiteten Leinwand befassen muß. Alle möglicherweise lästigen Schritte wie den Bau der Leinwand, das Filtern der Farbe sowie die Dokumentation der Werke, teilweise in Modellen der jeweiligen Museums- und Galeriesäle, werden ihm abgenommen.
Trotz seiner Unmittelbarkeit wirkt der Film kontemplativ, ohne sich bei seinem Publikum irgendwie anzubiedern. Je länger ich über den Film nachdenke, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, daß es vielleicht diese Abkürzung ist, die Richter eher schadet als nützt. Viele Leute werden ja gerade bei Routinearbeiten (Staubsaugen, Geschirr abwaschen oder im Garten arbeiten) oder beim Spazieren in der Natur kreativ ...

Geändert von Servalan (26.01.2018 um 17:28 Uhr)
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