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Alt 04.04.2017, 17:21   #3658  
Peter L. Opmann
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Fangen wir, wie sich das eigentlich gehört, mit dem Cover an. Ein quasi religiöses Motiv. Dr. Doom, umgeben von einer Corona, steht auf Wolken. Aber verkohlte Trümmer ragen zu ihm auf, und er hat nicht etwa einen entrückten Blick, macht keine segnende Geste, sondern blickt voll Zorn, deutet herrisch auf die Menschen, die sich unter ihm wegducken – die Fantastischen Vier plus Wyatt Wingfoot. Es geht nur um eine Niederlage im Kampf gegen das Böse, aber hier spielt sich, glaubt man der Bildsprache, eine Art Armageddon ab. Der Titel, „Bis zur bitteren Neige“, erinnert an Jesus Christus, der sagte: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“

Lee/Kirby machen in dieser Ausgabe manches anders, als man das von Superhelden-Storys her gewöhnt ist. Daß Superhelden im Kampf besiegt werden, kommt gelegentlich vor. Dann stehen sie im nächsten Heft wieder auf und ringen ihren Gegner doch noch nieder. Hier hören die FV auf zu kämpfen, weil sie erkennen, daß sie gegen Doom machtlos sind. Das ist natürlich auch nicht das Ende vom Lied, aber doch zumindest eine neue Nuance.

Noch ahnen die FV nicht, daß sie es bald wieder mit Dr. Doom zu tun bekommen. Sie sehen aber auf dem Dach des Baxter Building eine geisterhafte Erscheinung. Doom versucht sich an psychologischer Kriegsführung und schüchtert das Quartett erstmal ein. Dabei erweist sich das Ding als besonders schreckhaft. Sue hat ihre dunklen Ahnungen verarbeitet und verabschiedet sich mit ihrem Mann ins Wochenende. Ding bleibt dagegen mit mulmigem Gefühl allein zurück und erlebt nun tatsächlich Dooms Angriff. Es schlägt sich wacker, wird aber von dem latverischen Tyrannen in eine Statue verwandelt.

Johnny Storm und Wyatt Wingfoot haben sich von Schoßhund nun zurück nach New York teleportieren lassen und stoßen auf die Schäden, die Doom in ihrem Hauptquartier angerichtet hat. Der greift nun Reed und Sue in ihrem Wochenendhäuschen an. Eben hat er sich bei ihnen Respekt verschafft, da greift ihn die Fackel an, die (irgendwie) seiner Spur gefolgt ist. Im Duell zeigt sich, daß sie zur Supernova werden müßte, um Doom vielleicht in die Schranken weisen zu können. Dabei nimmt Stan Lee ausnahmsweise einmal auf physikalische Gegebenheiten Rücksicht: Eine Supernova in Reeds und Sues Wochenendhaus – das wäre wohl nicht so empfehlenswert. Stattdessen läßt Doom die Fackel vereisen.

Reed versucht, den Schurken mit seiner schrecklichsten Waffe zu stoppen: einem Antigrav-Zertrümmerer. Doom zeigt sich jedoch gänzlich unbeeindruckt. Darauf sieht Reed ein, daß er ihn nicht besiegen kann. Doom, der ursprünglich die FV auslöschen wollte, kommt nun auf eine bessere Idee: Ihre Elimination wird verschoben – sie sollen eine Weile in Ungewißheit und Furcht leben. Doom schwingt sich auf das Silberstürmer-Brett und rauscht ab.

Diese Episode ist nicht sehr detailreich erzählt. Es gibt längere Actionsequenzen, in denen erst Ding, dann die Fackel, dann Reed und Sue sich vergeblich abmühen, um Dr. Doom unterzukriegen. Aber das wird folgerichtig erzählt und strebt seinem Höhepunkt zu. Lee und Kirby haben die Serie endlich voll im Griff. Sie wissen, welcher Konflikt zu den FV paßt, und strukturieren ihre Story geschickt und folgerichtig. Die Cliffhanger sind dramatisch und wirkungsvoll. Nachteil dieses Aufbaus ist, daß nur der Leser in den vollen Genuß der Story kommt, der alle vier Teile liest. Wahrscheinlich hatte die Redaktion aber mit den vorhergehenden Dreiteilern gute Erfahrungen gemacht.
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