Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 31.07.2016, 16:36   #92  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.321
Blog-Einträge: 3
Standard Sprachmusik, Sprachkritik, Sprachkunst

Worte haben nicht nur Bedeutungen, jede Suílbe hat ihren eigene Klang und der ändert sich je nach Syntax. In der richtigen Reihenfolge prägt sich eine Sentenz durch die Wortmelodie besser ein als in einem Satz, der einfach so aus dem Mund kommt.

In Post #3 hatte ich einen dicken Band über die Sprache zitiert, der auf unterhaltsame Weise in die Grundlagen der Linguistik einführt:
Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
  • Douglas R. Hofstadter: Le Ton beau de Marot: In Praise of the Music of Language (Basic Books, New York 1997 und Bloomsbury Publishing Plc, London 1997 - 832 Seiten)
Wer Sprache mag, und das sind in der Kindheit die meisten, erkundet sie spielerisch und hatte seine Freunde an Wortspielen und ausgedachten Geheimsprachen. Selbst die Muttersprache ist jedoch ein so gewaltiges Terrain, daß sich jemand darin verlaufen kann.
Eltern sind hier im Vorteil. Mütter und Väter können ihren Kindern Bücher vorlesen, die kalauernd und kindlich vorbehaltlos in die Muttersprache(n) einführen.

Sprache kann aber auch dazu benutzt werden, mit zahlreichen Worten nichts zu sagen oder Bedeutungen in ihr Gegenteil verkehren (Euphemismen): aus einer "Müllhalde" wird dann ein "Wertstoffpark" ...
Der Psychologe Prof. Reiner Mausfeld (siehe online-Vorträge in Post #88) macht auf diese Techniken aufmerksam. Wer selber Geschichten verfaßt, kann diese Tricks und Kniffe einsetzen, um Informationen subtil zu vergeben. Dadurch sind diese Hinweise für das Publikum zwar anwesend, können jedoch bei der ersten Lektüre überlesen werden, um im Rückblick (oder bei der zweiten Lektüre) umso überzeugender zu wirken.

Die Sprachen der Welt unterscheiden sich voneinander, weshalb sich verwandte mit einiger Kombination entschlüsseln lassen. Trotzdem ist Vorsicht geboten, weil ähnlich klingende Worte manchmal etwas komplett anderes bedeuten können (dt. 'brav' vs. engl. 'brave' zum Beispiel).
In Grammatik und Syntax gibt es allerdings gewaltige Differenzen.
Jede hat ihre starken und ihre schwachen Seiten.
Natürlich spielt auch die Geschichte eine Rolle, düstere Epochen fordern Sprachkritik heraus - siehe Victor Klemperer, Karl Kraus und George Orwell.

Die empfohlenen Lektüren verstehe ich als Beispiele. Es steht euch frei, euch Titel oder Ausgaben zu suchen, die leichter lieferbar oder günstiger sind bzw. euch besser gefallen.
Hier eine kleine Liste zum Weiterlesen:
  • Karl Kraus: Sittlichkeit und Kriminalität, Kösel Verlag 1970, 347 Seiten (erstmals als Aufsätze erschienen, 1902-1907) - Gutenberg-DE
  • Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen – Lingua Tertii Imperii. Die Sprache des Dritten Reiches, Reclam Leipzig 1991, 303 Seiten (erstmals 1947)
  • George Orwell: "Appendix: The Principles of Newspeak", in: George Orwell: 1984, 68. Auflage, New American Library 1983, insgesamt 268 Seiten, hier S. 246-256 (diese Fassung enthält ein Vorwort von Walter Cronkite und ein Nachwort von Erich Fromm - erstmals 1949)
Servalan ist gerade online   Mit Zitat antworten