Thema: Filmklassiker
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Alt 04.09.2023, 06:20   #1541  
Peter L. Opmann
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Ich kann hier meist auch nur Gelesenes wiedergeben. Keine Ahnung, ob ich schon mal einen Film mit Harry Carey gesehen habe, aber sein Sohn taucht oft im Umfeld von John Wayne auf. Aus "Rio Bravo" wurden seine Szenen allerdings anscheinend rausgeschnitten - schade eigentlich.

Meine dritte Fassung des „Godfathers“-Stoffs ist ein Fernsehfilm von 1974 (im Original „The Godchild“), aber wie die beiden Vorläufer von 1936 und 1948 von, beziehungsweise für MGM produziert. Regisseur war der Engländer John Badham, den man von „Saturday Night Fever“, „Nummer 5 lebt“ oder „Auf die harte Tour“ kennen kann. Dieser Film schlägt, nachdem das Genre durch den Italowestern eigentlich schon an sein Ende gelangt ist, einen anderen Ton als seine Vorläufer an. Es kommt mir so vor, als wollte die Filmcrew die Story um jeden Preis anders erzählen als gewohnt. Was aber dazu führt, daß der Film am Ende zerfasert. Nur in der Mitte, als die drei Bankräuber den verlassenen Planwagen in der Wüste finden, der darin liegenden Frau bei der Geburt helfen und ihr versprechen, sich nach ihrem Tod des Babys anzunehmen, erinnert er stark an die John-Ford-Fassung.

Zu Beginn fliehen zwei der Banditen, Jack Palance und Ed Lauter, aus einem Südstaaten-Fort in Texas, wo sie als Deserteure eingebuchtet waren. Der Mexikaner (Jose Perez) sprengt sie frei. Wir sind also eigentlich im amerikanischen Bürgerkrieg. Der Krieg findet offenbar gerade woanders statt. Die Godfathers können also in aller Ruhe in die nächste Stadt reiten, die Bank ausrauben und in die Wüste fliehen. Palance kennt sich hier hervorragend aus, rechnet aber nicht damit, daß es kein Wasser gibt. Im Fort wird inzwischen ein Suchkommando losgeschickt. Befehlshaber ist ein unerfahrener Offizier (Keith Carradine), ein Sergeant (Jack Warden) ist ein alter Freund von Palance. Während der Verfolgung in der Wüste droht ständig Gefahr von umherstreifenden Apachen, Kiowa oder Comanchen, die aber nur einmal tatsächlich auftauchen. Man sieht in diesem Film, dass der Armeetrupp ebenso Probleme wegen Wassermangels hat wie die Bankräuber.

Dann folgt die Episode mit der Geburt des Kindes. Hier ist, wie gehabt, für die Banditen sofort klar, daß sie sich um das Baby kümmern müssen. Die Geburtshilfe läuft glatt, weil sie das schon oft bei Pferden und Kühen gemacht haben. Aber auch sie müssen erst mühsam lernen, wie man ein Neugeborenes versorgt. Ab hier weicht die Handlung wieder von der Vorlage ab, denn der Gatte der schwangeren Frau ist noch am Leben, kehrt aus der Wüste zurück und dreht angesichts seiner toten Frau durch. Er tötet Lauter und Perez, bevor Palance ihn stoppen kann. Palance läßt sich von dem Armeetrupp finden, weil das seine Chance erhöht, am Leben zu bleiben. Nun erlebt die Gruppe allerdings einen nächtlichen Indianerüberfall – nur Palance und Carradine überleben. Palance lockt die Indianer auf seine Spur, um Carradine die Möglichkeit zu geben zu entkommen. Der wacht im Fort wieder auf, auch das Baby ist wohlbehalten. Von Palance hört man nichts mehr (wie auch von dem geraubten Geld).

Der Film wirkt, obwohl auch schon 50 Jahre alt, modern inszeniert. Religiöse Elemente oder gar Weihnachten kommen hier nicht mehr vor. Die Szene am Planwagen könnte eine bewußte Reverenz an Ford sein. Die erzählte Geschichte ist allerdings so verbogen, daß sie meiner Ansicht nach nicht mehr richtig funktioniert. Die Wüstenwanderung – im Film von Boleslawski der eindrucksvollste Teil – erschien den Machern offenbar zu langweilig und wurde auf das Nötigste reduziert. Daß der Mann der Schwangeren eingreift, wirkt irritierend, und die Bedrohung durch die Indianer hätte man sich sparen können (wieder mal sind sie gesichtslose Wilde, die nur unschuldige Weiße abmurksen wollen). Und die ursprüngliche Hauptfigur (Palance) verschwindet unversehens in der Versenkung. All die Änderungen bis hin zum Armeeoffizier, der buchstäblich wie die Jungfrau zum Kinde kommt, belasten die Dramaturgie. Der Film ist, gerade für eine TV-Produktion, nicht schlecht gemacht, aber letztendlich doch recht enttäuschend.
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