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Alt 15.08.2017, 18:04   #3772  
michidiers
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KARNAK

„Der Makel in allen Dingen“

u.a. von Waren Ellis, Gerardo Zaffino, Roland Boschi



Ich muss zugeben, dass ich die Figur Karnak als Mitglied der Inhumans bislang nur aus den Heften der Fantastischen Vier des Williams Verlag kannte. Dort nahm er stets die Rolle eines Nebencharakters ein. Stan Lee und Jack Kirby gestalteten ihn kleinwüchsig, er hatte einen eierförmigen Helm auf dem Kopf und trug ein ziemlich albern aussehendes Kostüm. Da Karnak die Schwachstellen in allen Dingen - egal ob Mensch oder Material – erkennt, kam er nie über die Rolle eines Türöffners hinaus: Mit einem gezielten Handkantenschlag hatte er Stahltore zu öffnen, damit seine großen Inhumans-Brüder um Black Bolt die dahinter lauernden Bösewichte verprügeln konnten.

Als ich dieses Paperback heue vormittag bei meinem Comicshop entdeckte, war ich zunächst skeptisch. Um ausgerechnet dieser Figur eine eigene Miniserie zu widmen, die nicht in den Regalen der Comichändler vergilbt, bedarf es entweder Mut, Verrücktheit oder Talent, so mein erster Gedanke. Das sind allerdings alles Eigenschaften, die der englische Autor Warren Ellis mitbringt.

Ellis gestaltet den Plot der Geschichte dabei recht übersichtlich. Karnak wird von SHIELD damit beauftragt, ein vermeintliches Entführungsopfer aufzuspüren. Dieser junge Mann besitzt nach dem Kontakt mit dem Terrigen-Nebel gewisse übermenschliche Fähigkeiten, die von einem religiösen Kult für sinistre Ziele zweckentfremdet werden sollen. Die Ermittlungen führen den ungewöhnlichen Helden zunächst nach Berlin, bevor er in Osteuropa auf die Keimzelle des Kults stößt.

Karnak wird dabei alles andere, als Heldenhaft dargestellt - vielleicht ein Resultat, dass er aufgrund seiner Kräfte ein wenig überpowert daherkommt. Karnak versteht keinen Humor. Er redet und handelt undurchsichtig, ist Nihilist und auf gewisse Weise sehr sadistisch. Gewalt ist ganz offenbar von ihm beabsichtigt und nicht nur Mittel zum Zweck. Daher fließt viel Blut und es fliegen eine Menge Körperteile. Doch Autor Ellis wäre nicht Ellis, wenn er dem brutalen Handeln seines Antihelden nichts entgegenstellen würde. Glaubhaft entlarvt er nach und nach in Bild und mit philosophischen Worten die Verwundbarkeit in Karnak, der seine eigenen Schwachstellen dem Gegner offenbaren muss, um sein Ziel zu erreichen.

In vielerlei Hinsicht ist „Der Makel in allen Dingen“ ungewöhnlich, eine Superheldengeschichte, die eigentlich keine ist. Sie ist sehr untypisch für das, was man von Marvel kennt. Passend dazu sind die sehr entschlossenen Zeichenstriche von Gerardo Zaffino und Roland Boschi, sowie die dramaturgisch gut dosierte Kolorierung. Die Bebilderung spricht oft für sich, oft kommen ganze Seiten ohne eine Sprechblase aus.

Fazit: Dieses Paperback, es enthält auf -140-Seiten die komplette Miniserie, wird alles andere als ein Makel dessen sein, was Panini in Deutschland auf den Markt bringt. Eine sehr europäische Geschichte, die ganz sicher auch für diejenigen lesbar ist, die mit Superhelden nichts anfangen können.
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