Thema: Filmklassiker
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Alt 25.03.2024, 06:10   #1972  
Peter L. Opmann
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Das Filmmusical, mit dem ich die Cassette vollgemacht habe, ist „Du sollst mein Glücksstern sein“ (1952) von Stanley Donen und Gene Kelly. Nach dem Urteil vieler Fachleute ist das der gelungenste Film aus der klassischen Musical-Zeit. „Ein Amerikaner in Paris“ hatte die Gershwin-Musik, „Singin‘ in the Rain“ (so der Originaltitel) ist dafür eine überquellende Ansammlung origineller Tanz- und Revuenummern – sogar mit einer einigermaßen ausgearbeiteten, teils komödiantischen Handlung. Ein außerordentlich gut gemachtes Stück Kinounterhaltung mit Musiknummern, die damals alle schon einige Jahre alt waren. Wiederum wurde der Film ein großer Kassenerfolg und bekam zahlreiche Preise, diesmal allerdings keinen Oscar. Mich stört an ihm, daß die Witze auf Kosten einer wichtigen Filmfigur, dem Stummfilmstar Lina Lamont (Jean Hagen), gehen, einer sehr unvorteilhaft gezeichneten Frau.

Gene Kelly und Hagen sind ein Stummfilm-Traumpaar. Er pflegt eine rein professionelle Beziehung zu ihr, während sie sich vorstellt, seine große Liebe zu sein. Seine große Liebe lernt Kelly allerdings erst etwas später kennen: Debbie Reynolds, eine Bühnentänzerin, die sich nichts aus der Kinoindustrie macht und ihm das auch deutlich zu verstehen gibt. Er will sie trotzdem für seinen nächsten Film gewinnen. Inzwischen beginnt mit „The Jazz Singer“ die Tonfilmzeit. Kelly und sein Team halten das zunächst für eine vorübergehende Mode, aber der Produzent sieht sich bald gezwungen, ebenfalls einen Tonfilm auf den Markt zu bringen, natürlich mit Kelly und Hagen. Dabei gibt es aber eine Schwierigkeit: Hagen kämpft nicht nur dauernd mit dem Mikrofon, sondern hat auch eine unmögliche Piepsstimme (was sie selbst allerdings gar nicht wahrnimmt).

Reynolds, die bisher nur einen Vertrag bekommen, aber noch keinen Film in Aussicht hat, wird zur Rettung: Sie synchronisiert Hagen. Die bekommt nun aber Wind davon, daß ihr Liebhaber sich tatsächlich in Reynolds verliebt hat, und setzt juristisch durch, daß ihre Rivalin in den Credits nicht genannt wird. Als sie bei der Filmpremiere eine Rede halten will (bisher hat sie bei solchen Gelegenheiten immer nur gelächelt und sich an Kelly geschmiegt), merkt sie schließlich auch, daß ihre Stimme beim Publikum überhaupt nicht ankommt. Rerynolds muß sie hinter dem Vorhang erneut synchronisieren. Dabei zieht Kelly aber den Vorhang hoch, und es wird klar, daß es ihre Stimme ist, die alle hören. Reynolds ist nun auf dem Weg zum nächsten Star. Sie und Kelly sinken sich glücklich in die Arme – Hagen ist weg vom Fenster.

Die Stummfilmdiva ist zur Hälfte strohdumm, zur anderen Hälfte grausam und despotisch wie Aschenputtels Schwiegermutter. Dem Zuschauer wird nahegelegt, daß eine Frau sich den Anweisungen von Männern zu fügen hat oder ihre Zukunft verspielt. In Wirklichkeit gab es genügend Männer, denen der Tonfilm ihrer unpassenden Stimme wegen ebenfalls die Karriere verbaute. Auffällig fand ich daneben, daß Kelly zwar während des gesamten Films singt und tanzt (oft mit Partner Donald O’Conner), aber das in dem „Film im Film“ erst tut, als sein erstes Tonfilm-Experiment mißglückt ist. Reynolds tanzt in „Singin‘ in the Rain“ übrigens insgesamt wenig; ihre tänzerische Karriere begann erst mit diesem Film. Eine traumhafte Tanzszene absolviert Kelly stattdessen mit Cyd Charisse.

Noch ein Wort zur Synchronisation: Ursprünglich sind auch alle Lieder eingedeutscht worden, was als nicht so gelungen betrachtet wird. Doch ich habe eine Fassung erwischt, in der die Songs im Original bleiben. „Du sollst mein Glücksstern sein“ hat mir alles in allem besser gefallen als „Ein Amerikaner in Paris“, hat mich aber auch nicht zum großen Musical-Freund gemacht. Trotzdem: So etwas sollte man auch einmal gesehen haben.

Geändert von Peter L. Opmann (25.03.2024 um 08:37 Uhr)
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