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Alt 17.11.2016, 22:08   #174  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 43


Schrecken der Meere, Klaus Störtebeker, der grosse Seeräuber







Die vorliegende Geschichte spielt sich Ende des 14ten Jahrhunderts – mit einem kleinen Ausblick auf das 15te Jahrhundert - ab. Sie beginnt in der Ostsee und endet in der Nordsee, bzw. in Hamburg auf dem Richtplatz Grasbrook (wahrscheinlich). Die Klammer bezieht sich auf die Titelfigur des Heftes: Klaus Störtebeker. 1401 soll er dort nämlich hingerichtet, in diesem Fall geköpft, worden sein. So ganz sicher ist das nicht, aber warum sollte dieser letzte Akt in seinem Leben gesichert sein, wenn noch nicht einmal feststeht, ob es ihn so, wie erzählt wird, überhaupt gegeben hat. Schon bei der Geburt fängt es an – wann auch sonst , manche sagen dies geschah 1360 in Wismar, andere behaupten in Rotenburg/Verden. Mit dem Namen des späteren „Seeräubers“ gibt es ebensolche Unklarheiten. Nicolaus Störtebeker, Johann Störtebeker (aus Danzig), um nur 2 zu nennen.








Die Anrainerstaaten der Ostsee versuchten sich zu dieser Zeit einen möglichst großen Kuchen vom Handel zu sichern. Dänemark, Mecklenburg, die Hansestädte, auch Schweden, sie alle rangen mit unterschiedlichem Erfolg um die Vormachtstellung. Als die dänische Königin Margarete Schweden unterwarf und sich nur Stockholm widersetzte, belagerte sie es vom Land und zur See aus. Die Mecklenburger versuchten sich nun als Blockadebrecher und boten Kaperbriefe für tollkühne Seeleute an. Diese mussten zwar die Schiffe und Mannschaften selber stellen, erhielten aber politischen und militärischen Schutz (ähnlich wie später Freibeuter wie Francis Drake). Zu ihnen gehörte auch unser Klaus Störtebeker. Margarete gab irgendwann die Belagerung auf, der schwedische König dankte ab, beide Länder waren längere Zeit in Personalunion miteinander verbunden und die Viktualienbrüder (auch: Vitalienbrüder, Likedeeler) verloren ihren gesicherten Brotjob. Daraufhin wandten sie sich nach Visby, der reichen Hafenstadt auf Gotland*. Sie eroberten es, aber der im Baltikum herrschende Deutsche Ordensstaat (siehe Heft 28) vertrieb die Seeräuber.









Daraufhin machten sie die Nordsee unsicher, raubten Küstenstädte (Bergen) aus, kaperten Hansekoggen, kurz, sie störten nicht unerheblich die „Pfeffersäcke“. Die Hamburger rüsteten eine Flotte aus, dessen Flaggschiff „Bunte Kuh“ hieß. Vor Helgoland, dem Stützpunkt der Seeräuber, kam es zur Schlacht. Sie ging für die Piraten verloren und die meisten wurden in Hamburg hingerichtet. Auch dabei kam es natürlich zur Legendenbildung, denn ein Seeräuber verliert nicht einfach so seinen Kopf auf dem Richtblock. Der Hamburger Senat versprach allen Mitgefangenen die Freiheit, an denen der kopflose Störtebeker noch vorbei zu torkeln vermochte. Angeblich sollen es elf Männer gewesen sein, aber natürlich wurden auch sie hingerichtet. Nun gibt es in der englischen Geschichte einen Vorgang, der aussagt, 1413 wurde ein Johann Stortebeker durch den König Heinrich V. beauftragt, englischen Handelsschiffen Gleitschutz zu bieten. Da dieser Name schon früher aufgetaucht ist (auch hier im Artikel), kann man sich schon fragen, wer wurde 1401 geköpft … Weshalb es aber nun überhaupt ein Denkmal des Seeräubers gerade in Hamburg und anderswo auch, gibt, erschließt sich mir nicht. Dann könnte man auch gleich Attila ähnlich ehren -**


Schön schaurige Geschichten um den „Schrecken der Meere“; was wahr ist, kann sich jeder selber ausdenken. Ein auf dem Grasbrook 1878 gefundener Schädel wird Störtebeker zugeschrieben. Er wurde sogar 2010 aus dem Museum für Hamburgische Geschichte gestohlen, tauchte aber gut ein Jahr später wieder auf. Die Legende hat den Viktualienbrüdern gar Robin Hood vergleichbare Handlungsweisen angedichtet, aber dieses dürfte höchstens für die Mannschaft untereinander gegolten haben. Diese genossen ein gewisses Mitspracherecht, wie es den Menschen damals absolut verwehrt wurde. Deshalb wird es wohl massenhaft Literatur über die Piraten geben, in denen sie recht wohlwollend behandelt werden. Dazu zählen auch „Störtebeker – Festspiele“, z. B. in Ralswiek auf Rügen. Im vorliegenden Heft wird die Geschichte um Klaus Störtebeker den damaligen Erkenntnissen, bzw. das, was gerade jugendliche Leser gerne hören und sehen wollten erzählt. Dazu zählt hauptsächlich die unreflektierte Annahme, dass es diesen Burschen überhaupt gegeben hat. Die schon auf dem Titelbild gezeigte „Totenkopfflagge“, der sogenannte „Jolly Roger“, taucht dagegen gesichert erst um 1700 auf. Auch das zählt zu den sich verselbstständigenden Legendenbildungen, die irgendwann Allgemeingut und fester Bestandteil der Geschichte werden. Ansonsten ist das alles flott zu lesen. Ein einleitender Artikel über „Die Seeschlachten der Wikinger-Zeit“, eine Landkarte der Handlungsorte auf den Mittelseiten und der komplette Text des „Störtebeker-Liedes“ am Schluss der Erzählung runden das Heft ab.

Die erste Zeile lautet übrigens:
„Der mächtigste König des Luftreviers ist des Sturmes gewaltiger Aar.“
22 Zeilen später endet es mit:
„Hoch Störtebeker, unser Kapitän!“

Diesmal fehlt auf der letzten Umschlagseite die Klebstoff-Reklame.

*Wie mir ein in Deutschland weilender Schwede einmal erzählte, nennt sich dort die Polizei „Gotland Yard“.
**Weshalb ich grade Atilla erwähne? Er gibt die Titelfigur des kommenden Heftes ab.
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