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Alt 08.07.2016, 16:25   #153  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 34


Wallenstein, Feldherr und Rebell






Hier das Original des Titelbildmotives, welches Bood im Hintergrund mit der Ankunft einer dänischen Flotte vor Stralsund ausschmückte. Es ist von Anthonius van Dyck.





Wallenstein (Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein) war ein tschechischer Adliger, der durch Heirat zu einem beträchtlichen Vermögen gelangte. Im 16. und 17. Jahrhundert war Böhmen und Mähren ein Teil des Heiligen Römischen Reiches und Prag ein Hauptsitz der Habsburger. In den Jahren ab 1610 entzweiten sich die Brüder Rudolf (Kaiser) und Matthias. Der Kaiser schickte Truppen nach Mähren und Mähren, sie besetzten kurzzeitig Prag, aber die erzwungene Abdankung Rudolfs beendete den Zwist (Matthias wurde später Kaiser). Dessen ungeachtet gingen die religiösen Auseinandersetzungen, Katholiken vs. Protestanten, in Böhmen und Mähren weiter. Sie führten schließlich zum sogenannten „Prager Fenstersturz“ *, der 1618 als Auslöser des 30jährigen Krieges betrachtet wird. Wallenstein stellte sich auf die Seite des Kaisers, bekam von diesem eine sogenannte Bestallungsurkunde und lies seine Werber Soldaten anwerben. Kurz danach weitete sich der ursprünglich tschechische Aufstand immer mehr aus, bis schließlich nicht nur die Schweden, sondern auch Dänen, Franzosen, Engländer mit Hilfskontingenten oder ganzen Armeen in den Krieg eintraten.

Die Bevölkerung im Reich litt am schlimmsten unter diesen Auseinandersetzungen, in denen es nur Vordergründig um Religion ging: das Festigen der Macht, die Ausdehnung derselben, egal ob persönlicher oder wirtschaftlicher, war der Hauptgrund. Die Furie des Krieges führte dazu, das die Bevölkerung von Anfangs rund 16 Millionen auf knapp die Hälfte schrumpfte. Ganze Landstriche wurden verwüstet, so das am Schluss, 1648, fast nichts mehr da war, um was es zu kämpfen lohnte. Man einigte sich auf einen Frieden, der schon viel früher hätte erreicht werden können.







Das vorliegende Heft, im Januar 1956 erschienen, behandelt die Rolle Wallensteins im 30jährigen Krieg bis zu seiner Ermordung im Februar 1634 in Eger, Böhmen. Einleitend wird der Prager Fenstersturz sehr richtig als Auslöser des kommenden Schlachtens vorangestellt. Allerdings fällt Bood auf die nicht mal annähernd sichergestellte Anekdote vom unter dem Fenster liegenden Misthaufen herein: direkt unter dem Fenster, im Burggraben, dürfte kaum ein solcher angelegt worden sein. Entstanden scheint sie mit der Behauptung der Katholiken von einer „göttlichen Fügung“ für die Unversehrtheit der in die Tiefe gefallenen Opfer entstanden zu sein. Die daraus aufkommende Replik seitens der Protestanten, die den Misthaufen an Stelle „Gottes“ setzten, setzte sich schließlich im Volksmund durch.

Ein weiteres Panel zeigt Wallenstein sein Horoskop – von Johannes Kepler erstellt – studierend und suggeriert damit einen abergläubischen künftigen Befehlshaber der kaiserlichen Truppen. Das ist natürlich insofern unsinnig, da nicht nur zur damaligen Zeit der Aberglauben ein nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die meisten Menschen ausübte: Glauben gebiert Aberglauben, das eine kann ohne das andere nicht existieren. Ansonsten wird der Lebensweg Wallensteins, seine Schlachten und Entscheidungen, seine beginnenden Gegensätze zum kaiserlichen Hof in Wien, abermaliges Erheben zum Generalwachtmeister der katholischen Liga, zwar knapp, dem begrenzten Platz des Heftes geschuldet, aber recht anschaulich geschildert und gezeichnet. Seinen Tod durch eine Gruppe schottisch/irischer Offiziere wurde nie gesühnt, sein Vermögen unter ihnen Aufgeteilt (Jahre später erhielt seine Witwe einen kleinen Teil zuerkannt).







Diese Seite zeigt die Erstürmung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen General Tillys. Dieses Ereignis, eher Gemetzels, markiert eines der schrecklichsten Geschehnisse in diesem von unsäglichen Gräuel nicht armen Krieges: etwa 30 000 Menschen fielen diesem zum Opfer, die Stadt völlig zerstört.

Auf der Seite 3, 4 und 31 beschreibt Knoop (vermutlich) unter dem Titel „Bombardiere Musketiere – Pikeniere, Soldaten im dreissigjährigen Krieg“ die Eigenarten, die Bewaffnung und Kampfesweise der Armeen in dieser Zeit. Im Nachwort an die „Lieben jungen Freunde“ erklärt „Euer Hans Jürgen“ diese Neuheit in der Heftgestaltung. Er habe das absichtlich so gemacht: „(…) denn wenn man die furchtbaren Jahre (1618-48) mit ihrem Unglück, das sie über unser Land gebracht haben, verstehen will, muß man auch wissen, welche verschiedenen Arten von Soldaten es gab, wie sie ausgerüstet waren, und wie sie ihre Zeit außerhalb des Dienstes verbrachten.“ Wenn denn auch gelegentlich über das Leben der Bevölkerung genau so ausführlich berichtet wird, kann man damit leben sein. Wir werden sehen …

Dann kündigt Hans Jürgen noch einen neuen Erscheinungstermin an, der nunmehr auf den Anfang eines jeden Monats stattfindet. Außerdem erteilt er Wünschen der Leser nach Tagesaktuellem, aber auch Geschehnissen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg eine Absage, weil sie seiner Meinung nach genügend und ausführlich in den Illustrierten behandelt werden.

*Das war bereits der zweite, der erste fand im Juli 1419 statt und löste die „Hussitenkriege“ aus.
Ein dritter, 1948, führte zum Tode des tschechischen Außenministers Jan Masaryk, der der Tschechoslowakei bis 1990 eine kommunistische Regierung bescherte.
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