Thema: Pecos Bill
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Alt 02.05.2012, 08:16   #33  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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2. Teil

Obwohl Pecos Bill als Westernheld in Europa kaum eine Rolle spielt, im Gegensatz etwa zu Tom Mix, Buffalo Bill oder Hopalong Cassidy, entschloss sich der italienische Mondadori Verlag Ende der vierziger Jahre eine Westernserie gleichen Namens zu starten. Dabei stützten sie sich konzeptionell im Großen und Ganzen auf das Buch von James C. Bowman „Pecos Bill: The Greatest Cowboy of all Time“ (siehe dazu weiter oben zur Legende von Pecos Bill) und dem Disney-Zeichentrickfilm(1). Einige Details des Buches und nicht einmal unwesentliche, wie wir noch sehen werden, änderten die Autoren ab, fügten eigene Ideen und Vorstellungen hinzu.

Im Dezember 1949 erschien das erste Heft einer drei Serien (2) umfassenden Reihe, die letzte Ausgabe im März 1955. Der deutsche Ableger des Französischen Mondial Verlages brachte nach der erfolgreichen Einführung einer Tarzan Comicreihe im September 1952 ein gutes halbes Jahr später als zweite Serie Pecos Bill heraus. Die Hefte zeigten im selben hervorragend grafischen Gesamtbild wie Tarzan einen in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Westerncomic. Der hervorragende Kupfertiefdruck, eine exzellente gefühlvolle Farbgebung - und nicht bloß bunt, wie von manch anderem Verlag - bot optisches Wohlgefallen.




Allein schon die Titelbilder prangen in satten, glänzenden Farben und vom Erscheinungsbild her ist die Mondial Reihe der italienischen Serie zuerst sogar überlegen. Diese ist in einem größeren Format, aber dafür innen bloß alternierend zwei Seiten farbig, zwei Seiten schwarz weiß und auf schlechterem Papier. In höheren Nummernbereichen wurde die Farbgebung der Mondial Serie allerdings einfacher, nicht mehr so stark der jeweiligen Szene oder Stimmung angepasst; ab der Ausgabe 48 wurde sogar nur noch in schwarz weiß gedruckt (bei einem reduziertem Preis).




Meist sind diese Farb- und Formatumstellungen ein untrügliches Zeichen für sinkenden Absatz, dem auf mannigfaltige Art begegnet werden soll.
Zur Kostenreduzierung wurde von Hand- auf steriles Maschinenlettering umgestellt und zwar schon mit der Ausgabe 24, auch das eigentlich kein gutes Omen.




Die letzten vier Fortsetzungen wurden auf wenigen Seiten in die Ausgaben 1 - 4 des Magazins Hallo integriert – jetzt wieder in Farbe, gingen dort im Gewusel der übrigen Comics und Textbeiträge aber regelrecht unter.
In HALLO wurde nicht nur Pecos Bill in vier Heften abgeschlossen, auch die Serie Buffalo Bill fand nach nur 27 Heften seine Fortsetzung und Abschluss in Hallo Heft 1 - 5.


Wie oben erwähnt wich der Pecos Bill Comic in Details von der Romanvorlage ab. Wir Kinder der fünfziger Jahre waren aus den Jugendvorstellungen gewöhnt, dass es in den Westernfilmen auf der Leinwand knallte und rauchte und der Kinosaal erbebte. Die Buchvorlage wich davon nicht ab, der Pecos Bill der Comics dagegen war zwar unerbittlich, tötete aber keinen seiner Feinde – jedenfalls nicht beabsichtigt, denn bis auf sein Lasso war er unbewaffnet.




Auch auf diesen beiden Abbildungen, links das Titelbild und rechts eine Comicseite des Heftes 7, sind keine Pistolen, ja nicht einmal Patronengurte zu sehen: der Held von Texas geht tatsächlich jeweils nur mit einem Lasso gegen seine Gegner vor. Meist jedenfalls, gelegentlich wirft er auch schon mal mit x-beliebigen Gegenständen nach seinen Gegnern.

Aus Gründen, die heutzutage nicht mehr nachzuvollziehen sind, änderte Mondial plötzlich die kontinuierliche, die nummernmäßige gleichförmige Herausgabe zu den Mondadori Reihen. War der Erscheinungsrhythmus in Deutschland zu schnell, denn immerhin erschien das letzte Mondialheft bereits im Februar 1956 als die komplette Serie in Italien erst kurz vorher beendet war. Oder gefielen die Abenteuer nicht mehr, fehlten Vorlagen, wurden die Abenteuer zu brutal - warum auch immer, aber plötzlich wurden einzelne Abenteuer soweit gekürzt, das die Nummer 39 bereits der italienischen Ausgabe 37 entsprach und die Schlussnummer der selbstständigen Mondial Reihe, die Nr. 65, war erst die Originalausgabe 52 der ersten Reihe.

* * *

Auf amerikanischen Abbildungen erscheint Pecos Bill als normal gekleideter Cowboy, meist sogar mit Schnurbart und riesigem Cowboyhut. Die Italiener beraubten ihm am Anfang der Serie als erstes seines Bartes und dann des breitkrempigen Texashutes – bis zur Hälfte des vierten Heftes sitzt dieser gelegentlich noch auf seinem Kopf. Erstmals geht er ihm beim Zureiten des Pferdes Weißrock für seinen indianischen Freund Weiße Feder(3) verloren. Fortan zeigte uns der Held von Texas seinen blonden, von einem schwarzen Schatten durchzogenen Haarschopf (kenn ich doch von irgendwo her?). Arg trieben es die Italiener in der Gestaltung der Kleidung des Cowboys: die Fransen an den Hosen oder Ärmeln der Neuengland-Waldläufer wirkten gegen seine gut einen halben Meter langen Stoffstreifen an den Hosen wie unschuldige Fusseln einer etwas arg strapazierten Trekkingmontur. Machte es damals in den Fünfzigern durchaus Eindruck bei uns Kindern, wir versuchten sie sogar zu kopieren. Nur fünfzehn Jahre später schauten die Fransen in den Pecos-Bill-Heften des Bildschriftenverlages modisch deplatziert aus - „man“, der Cowboy, trug so etwas nicht mehr. Teilweise sah es sogar unfreiwillig komisch aus, wenn sie selbst beim ruhenden Pecos Bill von den Hosenbeinen abstanden.




Egal, ob Pecos Bill steht, springt, reitet, die Fransen stehen gut gestärkt waagerecht von seinen Hosenbeinen ab; hier im Heft 13.

Im Italien hieß das Wunderpferd Pecos Bills Turbine, im Buch erst Pegasus und dann, als die Cowboys seine gefährliche Wildheit erkannten, Widow Maker, also Witwenmacher. Mondial (und BSV) fanden Sturm überzeugender und etwas verstehen kann ich das schon, denn wenn ein Reiter ständig zu seinem Pferd:“Yippie! Witwenmacher“ ruft, könnte es womöglich auf falsche Gedanken kommen und seinen Cowboy wörtlich nehmen und Hauptsache das Pferd kann sich seinen gerade aktuellen Namen merken …




Auf diesen beiden Titelbildern sehen wir das Wunderpferd des Pecos Bill in Aktion.

(1) Dazu im Kapitel Diverses mehr

(2) Der Begriff Serie hat in Italien allerdings eine gänzlich andere Bedeutung, als im deutschen Verlagswesen. Bei länger laufenden Reihen wurde - häufig auch mitten im Abenteuer - die Serie beendet und mit der Nummer 1 erneut gestartet und weitergeführt. Siehe dazu die Abbildung nach den Anmerkungen und mehr auch in der Artikelreihe "Die italienischen Wurzeln" von Gerhard Förster in diversen Sprechblasen.
Zum besseren Verständnis hier die Angaben der drei Mondadori Serien, die vom Dezember 1949 bis zum März 1955 liefen:

1. Serie 65 Hefte (die deutsche Schlussnummer 65 ist mit dieser nicht identisch) 2. Serie 78 Hefte
3. Serie 22 Hefte

Daneben gibt es weitere Verlage, die sich Pecos Bill annahmen:

Editione Alpe mit 38 Heften und neuen Abenteuern.

Mondadori brachte dann Nachdrucke seiner drei Serien in 117 Taschenbüchern heraus.

Editione Fasani führte die vorstehende Nummerierung fort, bis zur Ausgabe 172 und brachte neue Abenteuer.


(3) Im italienischen Penna Bianca, also wörtlich übernommen. Der Stamm von Weisse Feser, die Navajos, oder Navahos, gehören als Untergruppe zur Athapaska Sprachfamilie, die vom Süden der USA bis hoch nach Kanada reichte.




Auch ohne Kenntnisse der italienischen Sprache ist unter dem letzten Bild leicht zu erkennen, dass mit dieser Ausgabe, der Nummer 65, die erste Serie von Mondadori endet.

Verschwindet Pecos Bill nun endgültig zum Mond, hat er die flehentlichen Rufe seiner Meg Leichtfuß nicht nur ge-, sondern auch erhört?

Keineswegs, denn schon auf der nächsten Seite wird nicht nur für die 2. Serie geworben, sondern der ungläubige Leser über den Sachverhalt aufgeklärt.
Davor für die deutschen Leser eine Zusammenfassung der Ereignisse der letzten Seiten des Heftes und dann die Klärung der Gesamtsituation, was mir alles von Peter Pohl übersetzt wurde.

Pecos Bill pflanzt sich vor dem Vollmond auf und spricht: "Cavalieri del Cielo (Himmelsreiter), meine Freunde, kleine Sue Sluefoot, die mich von der Mondscheibe her anlächelt ... Pecos Bill hat seine Mission erfüllt! ... Texas ist befriedet!"

Jetzt muss er wieder ein einsamer Cowboy sein, denn das ist sein Schicksal.
Da kommt Sue Morgan (Mary Morgan) aus dem Gebüsch und wirft sich Pecos Bill an den Hals; der pflückt ihr eine Blume und küsst sie zart.
Und dann macht er sich aus dem Staub...vielleicht war alles nur ein
Traum für die Kleine Sue?

Die Coyoten heulen die Mondscheibe an, wo sich das Bild der legendären
Sue Sluefoot bildet...und Pecos Bill galoppiert wie eine Wolke dem Mond
entgegen...
Und dann steht da: Ende der ersten Serie.

Wenn man aber noch mal umblättert, wird man beruhigt:
"Pecos Bill ist nicht verschwunden, weil er gar nicht verschwinden
kann ...Wir finden ihn in den unendlichen Weiten in Gesellschaft der
unbezähmbaren Jane Calamity und des treuen Davy Crockett wieder....er
wird die Rotjacken (Royal Mounted) treffen ... Banditen bekämpfen...und
die schrecklichen Huronen ...
Dieses Heft trägt den Titel: La Scomparsa di Pecos Bill (Das Verschwinden des Pecos Bill)

Kein Tod auf Raten, Pecos Bill ist kein normaler Cowboy, sondern ein Mythos,
und mythisch wird die erste Serie abgeschlossen.“

Und die Leser wollten die sexy Jane Calamity sehen.

Guido Martina, der Autor, bedauert, dass Anfang der 50er Sex tabu war.
"Würde ich die Geschichte heute schreiben, dann würde PB sie ins Heu
werfen … und ihr wär's sicherlich recht"


Fortsetzung folgt ...
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