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Alt 23.05.2017, 13:16   #29  
Servalan
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Tatort (Folge 650) "Schlaflos in Weimar" (Saxonia Media Filmproduktion für MDR 2006), Drehbuch: Andreas Pflüger, Regie: Uwe Janson, 87 min

Die Kommissare Ehrlicher und Kain ermitteln eigentlich in Leipzig, die Flucht eines Häftlings führt Ehrlicher zu einer längeren Stippvisite nach Weimar.
Die Serie gilt als Spiegel bundesdeutscher Befindlichkeiten und fängt seit Jahrzehnten Zeitgeschichte ein, was im schlimmsten Fall als didaktischer Thesenfilm endet.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich der 21. Fall von Ehrlicher und Kain fast zeitlos aus, wobei er eher spielerisch das Gelände zwischen Kunst und Kunsthandwerk, Hobby, Mode und Denkmalschutz erkundet. Ehrlicher und Kain zählten nie zu den Stars der Serie, aber bei ihrem Schlußspurt (es folgten noch drei Episoden) holten sie einiges an Terrain auf.

Ich habe lange gegrübelt, warum diese Episode gerade in diesem Jahr produziert und gesendet wurde. Denn Kulturhaupstadt war Weimar schon 1999.
Bei meiner Suche bin ich fündig geworden, denn Filme brauchen ja einen gewissen Vorlauf:
  • Am 2. September 2004 brach im Hauptgebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) ein Brand aus. Obwohl die Anwohner mithalfen, 28.000 Bücher vor den Flammen oder dem Löschwasser zu retten, mußten 50.000 Bücher als Verlust verbucht werden. Sammler konnten gleiche Ausgaben für den HAAB-Bestand spenden. Die kostspielige Restauration machte international bis 2015 Furore. - Wenn Ehrlicher und Kain anreisen, ist der abgedeckte Dachstuhl zu sehen.
  • Die Ausstellung "Schlaflos in Weimar" von Professor Robert G. Henze findet im 2005 eingeweihten "Neubau Bibliothek und Audimax der Bauhaus-Universität Weimar" statt. Das Gebäude von meck architekten, München wurde 2006 mit dem Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau ausgezeichnet. - Als sich Ehrlicher dem Eingang nähert, setzt die Kamera Hermann Bigelmayrs 7,50 Meter hohes Kunsterk "Lehrstuhl - leerer Stuhl" ins Bild.
  • Die Folge beginnt mit dem Freigang des Häftlings ins Museum der bildenden Künste in Leipzig, das nach Entwürfen von Karl Hufnagel, Peter Pütz und Michael Rafaelian gebaut und am 4. Dezember 2004 eröffnet wurde.
Die meisten Schauplätze sind um den Park an der Ilm angeordnet, der seit 1998 auf der UNESCO-Welterbeliste steht.
Zu den weiteren Kunstwerken, die touristengerechnet inszeniert werden, gehören:
  • Reiterstandbild Herzog Carl August (1875) von Adolf von Donndorf (1835 - 1916) vor der HAAB.
  • Das Tempelherrenhaus, das 1786/87 nach einem Entwurf von Johann Friedrich Rudolf Steiner (1742 - 1804) aus einem Gartenhaus umgebaut wurde.
  • Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm.
  • Professor Henze plant die Eröffnung seines Kunstkollegs in einem denkmalgeschützten Gebäude, das teuer restauriert werden muß: Bei seiner kleinen Führung zitiert Henze dabei den MDM Location Guide der Villa Haar fast wörtlich:
    Zitat:
    Der dreigeschossige Bau wurde 1885 vom Architekten Otto Münkert entworfen und nach dem Vorbild der Villa d'Este in Tivoli im Stil der Neorennaissance gebaut. (...) Seit 1993 sind im Garten der Villa die "KünstlerGärten" angesiedelt. Ein Projekt der Bauhaus Universität Weimar im Rahmen dessen 20 langfristig angelegte Kunstwerke mit Pflanzungen von internationalen Künstlern realisiert wurden.
  • In der Praxis des Weimarer Arztes Martin Steingart, der seinen Freund Ehrlicher auf Herz und Nieren prüft, steht ein Gemälde von Neo Rauch, dem Star der "Neuen Leipziger Schule". Henze redet den Erfolg seiner Konkurrenz lieber klein: das sei "eine Riesenblase", sagt er verächtlich.

Geändert von Servalan (16.06.2017 um 14:52 Uhr)
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