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Alt 11.12.2016, 14:01   #82  
74basti
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MIKE 1: 5/1978


(c) Mali und Werner

Das erste Heft erschien nach nur sehr kurzer Vorlaufzeit im Mai 1978. Nachdem die Werbeagentur Veith 1977 sich den Auftrag für ein Kundenmagazin der Genossenschaftsbanken gesichert hatte, standen im Januar 1978 nur wenige Tage für Mali Beinhorn und Werner Büsch zur Verfügung, um das Heft mit Leben zu erfüllen.
Für beide Künstler, die bisher dem Underground zuzurechnen waren (vgl. dazu Eckart Sackmann, Deutsche Underground-Comics - Versuch einer Annäherung, in: Deutsche Comicforschung 2016, S. 107 ff) und deren Geschichten und Zeichnungen so "deftig" waren, dass viele Titel von der Bundesprüfstelle indiziert wurden, war der Wechsel in den Bereich Kunden- / Kindercomics überraschend und unvorbereitet. In diesem Bereich waren sie merklich (noch) nicht zu Hause.
Die ersten Zeichnungen und Geschichten verfügten über einen "gewissen dilettantischem Charme", wie Werner Büsch im Interview selbstkritisch im Rückblick anmerkte.
Innerhalb einiger weniger Tage entstanden ein Cover, vier Comicseiten und eine Illustration für die Leserbriefseite.
Die Kolorierung erledigte Mali mit Filzmarkern. Bei den Arbeiten war keinem klar, ob es überhaupt ein zweites Heft geben würde.
Wegen der knappen Zeit griffen sie in die Schublade, in der eine komplette Geschichte lag, Baika, der Steppenreiter. Mit dieser spätantiken Geschichte aus dem Jahr 482 werden die Seiten des Magazins aufgefüllt. Niemanden scheint es zu stören, dass der Steppenreiter keinen Bezug zum "Taschengeld-Sparen" hat, stilistisch und inhaltlich meilenweit weg von einer Kundenbindung entfernt ist.
Inhaltlich tun sich beide mit den Mike-Geschichten noch sehr schwer. Außerirdische verkaufen Currywürste, ein Auto wird gewaschen und Birne radiert eine Gulliöffnung aus dem Bild wieder weg, damit Mike nicht hineinfällt. Auch die gefüllte Sprechblase auf dem Cover wirkt in der Tat noch nicht so als sei alles ausgereift.
Vielmehr ist Mike zu dieser Zeit noch eine zarte Pflanze, bei der man noch nicht weiß, ob und wie sie gedeihen wird.
Redaktionell ist vom Verlag nur ein Artikel über die deutschen Münzen enthalten.
„Wetten dass … Du hast sie täglich in der Hand und kennst sie trotzdem nicht. Die deutschen Münzen“ (Der Titel ist keine Anspielung an Frank Elstners TV-Show. Diese startete erst 1981).
Die Rückseite enthält ein Werbefoto, auf dem zwei Kinder in der Schule bei einer Matheaufgabe zu sehen sind. Völlig konstruiert und nicht realistisch sitzen die beiden in der ersten Reihe so nah an der Tafel, dass man sie nur beschreiben kann, wenn man auf den Tisch klettert. Direkt daneben im Nachbarhaus (Man denke einmal daran, wie in den 70er Jahren die Schulzentren gebaut wurden!) steht ein freundlicher Mitarbeiter der Bausparkasse in seinem Büro mit Sonnenbrille (!), der das Ergebnis auf einer Tafel hochhält, obwohl der die Aufgabe gar nicht lesen kann.
„Die jugendfreundliche Bank“, die Schüler zum Mogeln animiert. Der Junge links zeigt den Daumen hoch – Na, wenn das nicht auffällt. Da Veith Inhaber der Werbeagentur ist, wird das Bild von seiner Agentur sein. Interessant ist auch, dass hinter Tafel ein weiteres Fenster zu sehen ist.
Mein eigenes Heft stammt aus der Filiale der Volksbank eG Dorsten, damals mit Hauptzweigstellen in Holsterhausen, Hervest-Dorsten, Altendorf-Ulfkotte und Hervest. Die Volksbank Dorsten eG gibt es noch heute. Dorsten liegt nördlich von Essen und ist ein Beleg für die Verbreitung der rund 30.000 Hefte der ersten ausgabe im nordwestdeutschen Bereich.
Ein Vorwort sucht man vergebens.



Es geht gleich auf Seite zwei mit der ersten Geschichte los: „Besuch aus dem All“. Eine richtige Geschichte ist es eigentlich nicht. Vielmehr kauft sich Mike eine Wurst von einem außerirdischen Robotwurstverkäufer, die beim Anstechen platzt. In der zweiten Story „…bessert sein Taschengeld auf verhunzt Mike das Autowaschen für seinen Vater. In der Tat wird hier Alfred Hamsterbacke schon im ersten Heft als Vater von Mike vorgestellt. Eine Mutter gibt es nicht.



"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799

Geändert von underduck (01.01.2017 um 12:35 Uhr)
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