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Alt 23.12.2017, 20:28   #3905  
Peter L. Opmann
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Ich denke, das war Agatha Harkness' erster Auftritt.

„Die Rückkehr der Furchtbaren Vier“ – der Titel dieser Episode klingt ziemlich uninspiriert. Dabei haben wir es hier mit einer ganz raffinierten Story zu tun – mit 40 Jahren Abstand würde ich einschränkend hinzufügen: soweit das bei dem geringen Umfang von 20 Seiten möglich ist. Wenn man sie mit nüchternem Abstand betrachtet, kann man feststellen: Ein Anteil ist konventionell – die Furchtbaren Vier wollen wieder einmal Revanche, bringen die FV an den Rand einer Niederlage, aber werden am Ende doch besiegt. Aber Stan Lee vermischt das altbekannte Muster mit Elementen des Unheimlichen. Schauplatz ist ein Spukhaus, in dem eine seltsame alte Frau wohnt. Und das gibt der Story einen ungewohnten Twist. Ich finde sie nach wie vor sehr gut.

Schon die Eröffnung ist etwas Besonderes: Die FV umstehen Sue, die ihr Baby vorzeigt. Es wird darüber gescherzt, welchen Namen das Baby nun wohl bekommen hat. Ein sentimentaler Moment: Es heißt Franklin Benjamin – der zweite Name wurde zu Ehren von Benjamin Grimm gewählt. Ding bricht in Tränen der Rührung aus. Reed gibt inzwischen seine Entscheidung bekannt, den kleinen Franklin auf dem Land bei einem Kindermädchen, Miss Agatha Harkness, in Sicherheit zu bringen.

In diesem Moment sind die FV bereits einer tödlichen Bedrohung ausgesetzt. Der Zauberer verfolgt ihre Unterhaltung auf einem Bildschirm. Das versteckte Landhaus ist also schon so gut wie entdeckt. Die Furchtbaren Vier, zu denen sich nun auch wieder Medusa gesellt, werden dort zuschlagen. Neben die Spannung der Gefahr gesellt sich nun noch der Grusel. In einer dunklen, stürmischen Nacht treffen die FV bei dem Haus von Miss Harkness ein, ein Haus, das Ding unwillkürlich an „Draculas Alptraumhaus“ erinnert. Die alte Dame erscheint mit einem schwarzen Kater im Arm in der Tür.

Lee und Kirby deuten nun wirkungsvoll Horror in britischer Tradition an. Agatha Harkness verfügt über perfekte britische Manieren; schreckenerregende Gemälde, Skulpturen und die dunklen, verwinkelten Räume (angeblich vertragen ihre Augen kein helles Licht) lassen sie zunächst als Exzentrikerin erscheinen. Ein wenig erinnert sie an Miss Marple in der Darstellung von Margaret Rutherford. Ding kommentiert die Situation: „Ich würde diese olle Krähe nicht mal auf meine Tante Petunia aufpassen lassen.“

Aber nun schlagen die Furchtbaren Vier zu, die man inzwischen beinahe vergessen hätte. Ding wird mit einer Antigrav-Scheibe und einem Betäubungsstrahl außer Gefecht gesetzt. Der Fackel passiert das Gleiche durch einen Sandstrahl des Sandmanns. Reed und Sue werden von Kleisterpeter in ihrem Zimmer eingeschlossen. Nun geschieht zuerst etwas, was Kenner der Serie vermuten konnten: Medusa wendet sich gegen ihre Kumpane, denn wir wissen inzwischen, daß sie zu den Nichtmenschen gehört und die schiefe Bahn längst verlassen hat. Mit vereinten Kräften machen aber die drei Männer des bösen Quartetts sie unschädlich. Jetzt wollen sie sich aufmachen, die FV zu erledigen.

Auf der Treppe begegnen sie Agatha Harkness, und jetzt kippt die Story endgültig in gotischen Horror um. Im ersten Moment nimmt der Zauberer die alte Frau nicht ernst, aber sie hetzt ihren schwarzen Kater auf ihn, der sich zu einer gigantischen Bestie auswächst und den Zauberer in Angst und Schrecken versetzt. Er flieht panisch. Sandmann und Kleisterpeter versuchen zu verstehen, was gerade passiert ist. Sie schwanken zwischen Angreifen und Abhauen; da belegt Agatha Harkness offenbar Sandmann mit einem Zauber. Er versteinert. Jetzt gibt es für Kleisterpeter kein Halten mehr, aber er wird von eben der Bestie verfolgt, die auch hinter dem Zauberer her war. Kleisterpeter endet in den Klauen des Untiers.

Die Story ist noch nicht zuende und bleibt im Bereich des Horrors. Die FV sind befreit und stoßen auf ihre kampfunfähigen Gegner. Kleisterpeter liegt ohnmächtig in einem Zimmer. Sandmann ist immer noch versteinert. Der Zauberer hängt im Geäst eines Baums. Die FV sind völlig ratlos, was hier passiert ist. Und Agatha Harkness trägt nicht zur Aufklärung bei: Sie tut so, als wäre gar nichts geschehen sie ermahnt die FV, ruhig zu sein, damit das Baby nicht aufwacht. Ding entdeckt in ihrem Zimmer ein Buch mit dem Titel „Die Welt der Hexen“, und bei ihm keimt ein Verdacht. Die alte Dame fragt es, was es denkt. Da nimmt es ebenso Reißaus wie die Mitglieder der Furchtbaren Vier zuvor. Das unheimliche Geschehen wird also, wie sich das gehört, ein wenig im Ungewissen gelassen. Nur so kann der Horror richtig zur Geltung kommen.

Auf dem Cover sieht das Haus wie Hitchcocks „Psycho“-Haus aus, was ja auch keine schlechte Assoziation ist. Im Vordergrund spielt sich dagegen der erwartbare Kampf zwischen den FV und den Furchtbaren Vier ab (der aber in dieser Ausgabe so gar nicht abläuft). Joe Sinnott ist als Inker zurück. Und es ist, wie ich schon sagte, alles in allem eine sehr gute Ausgabe.
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