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Alt 03.10.2016, 15:41   #17  
Servalan
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Love Is the Devil: Study for a Portrait of Francis Bacon (Großbritannien 1998), Drehbuch und Regie: John Maybury, 91 min, FSK: 16

Der irische Francis Bacon (1909-1992) lebte zeitweise in Berlin und Paris, verbrachte aber die meiste Zeit in London. Wie sein Freund und Kollege Lucian Freud (1922-2011) verweigerte sich Bacon der Mode des westlichen Kunstmarkts, abstrakt und nichtfigurativ zu malen.
Der belesene Intellektuelle Bacon war von der Körperlichkeit, vom menschlichen Leib besessen, und stellte ihn in einer Weise dar, in der sich Schmerz und Schönheit zu einer verwickelten Einheit verbinden.
In mehr als einer Hinsicht entsprach er dabei Künstlerklischees: Zum einen liebte er Männer, zum anderen war er ein unsteter Spieler, der erst spät zur Malerei fand.

Der Film entstand für die BBC, lief aber auf Filmfestivals. In Edinburgh erhielt das Biopic drei Auszeichnungen: eine für das Best New British Feature, eine für den besten Haupdarsteller (Derek Jacobi als Francis Bacon) und die dritte für die beste Nebenrolle (der junge Daniel Craig als George Dyer). Darüber hinaus lief die Filmbiographie 1998 auf dem Internationalen Filmfestival in Cannes (in der Reihe "Un Certain Regard").

Die bildgewaltige Montage konzentriert auf die Beziehung zwischen dem Kleinkriminellen George Dyer und Bacon. 1964 bricht Dyer in einem Atelier in South Kensington ein, wodurch Bacon eher zufällig zu einem Modell und einer Muse kommt.
Zum ersten Mal war der Maler der Ältere in einer Beziehung, allerdings war auch Dyer ein Alkoholiker mit Borderline-Syndrom wie Bacon. 24. Oktober 1971 findet diese Liebe ihr plötzliches Ende, als Dyer mit einer Überdosis Barbiturate tot in einem Pariser Hotelzimmer aufgefunden wiurde. Eigentlich sollte er am nächsten Tag bei Bacons Vernissage seiner Retrospektive in der französischen Hauptstadt zu den Gästen gehören.

John Maybury stammt aus der schwulen Szene der britischen Hauptstadt. Neben kurzen Dokumentar- und Experimentalfilmen profilierte er sich in den 1980er mit Videoclips, unter anderem für Boy George. Sein berühmtester Clip ist Sinéad O'Connor's Hit Nothing Compares 2 U (1990 mit Lyrics von Prince). Außerdem stattete er die Filme von Derek Jarman aus.
Dietrich Kuhlbrodt (epd) rechnet es Maybury hoch an, dass er lieber einen optischen Bilderreigen statt einer platten Nacherzählung bietet:
Zitat:
Der Film entzieht sich jedoch dem Plakativen. Einander Verletzungen zufügen, das gäbe noch keine Auskunft über das, was Bild wird. Man möchte Maybury dafür umarmen, daß er nicht ins Ober-/Unterschicht-Drama abirrt, Sado/Maso-Riten vorzeigt, Psychologie betreibt. Der Film beläßt es beim narrativen Minimum, verstreuten Plot-Fragmenten. „Study für a Portrait of Francis Bacon" ist der Zweittitel.

Maybury versucht mit filmischen Mitteln einer Malkunst nahezukommen, die nicht erzählt, sondern fühlt, und die nicht repräsentieren, sondern Kräfte einfangen will. Sein malerischer, sensibler, ungestümer Film kommt dem Kraft-Maler Bacon näher als es dem gleichgesinnten Philosophen Gilles Deleuze gelingt, der die berühmte Studie zu Francis Bacon geschrieben hatte - aber naturgemäß aufs Wort rekurrieren mußte.
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