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Alt 04.08.2022, 16:17   #21  
Chouette
Moderator Mosaik Fan-Forum
 
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Bei dieser Serie ist es Zeit für ein paar Erinnerungen.
Ich erinnere mich noch, wie ich in der ersten Jahreshälfte 1991 beim Arzt saß und im Wartezimmer in irgendeiner Zeitschrift oder Zeitung blätterte. Dort war ein Artikel über die Abwicklung der DDR-Verlage und eine Auflistung, welche Zeitschriften es ab demnächst nicht mehr geben würde. Und dort prangte das Cover von Heft 1/1991. Das hat mir einen richtigen Stich ins Herz versetzt. Vermutlich bin ich mit einem so leidenden Gesichtsausdruck rein zur Ärztin, dass die mich besonders überzeugt krank geschrieben hat. Ich hab dann Monat für Monat gehofft, dass es doch noch weitergeht.
Aber sehr optimistisch war ich da nicht. Das war eine furchtbare Zeit für mich. Unser kleines Städtchen hat in den Jahren der Wende 20% seiner Einwohner verloren, da der riesen Betrieb, der die Stadt am Leben hielt und quasi jeden dort beschäftigt hat, abgewickelt wurde. Und es waren vor allem die jungen Familien mit Kindern, die in den Westen zogen.
Es gab Wochen, da waren gleich mehrere Freunde weg, während der verrückten Wendezeit oft ohne Abschied. Da gab's die eine oder andere Träne, denn es war klar, dass man manche nie wieder sehen würde. In der Zeit war ja noch Briefe schreiben angesagt, wenn man Kontakt halten wollte. Und wer hat das schon gemacht? Und woher sollte man die Adresse bekommen? Und vielleicht war man ja nicht halb so interessant für das Mädel wie sie für einen selber?

Dass mein geliebtes Mosa gleich meinen Freunden ebenfalls verschwinden sollte, erschien mir deshalb beinahe schon logisch. Als dann Heft 9/1991 gar nicht mehr kam, hatte ich es eigentlich schon aufgegeben. Doch dann geschah doch tatsächlich ein Wunder! Heft 9 kam doch noch irgendwann, dann noch Heft 10 und sogar nur eine Woche später Heft 11. Und dann war vom neuen Verlag zu lesen und dass es weitergehen würde. Da war dann plötzlich vieles wieder gut, und es ist vielleicht ein wenig hochtrabend formuliert, aber da machte sich dann doch irgendwo das Gefühl breit, diese dämliche, ungewisse Zeit irgendwie überstanden zu haben.
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