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Alt 31.10.2017, 20:33   #67  
Peter L. Opmann
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Weil hier gerade Peter Weir erwähnt wird: Ich habe mir eine Zeitlang jeden neuen Film von Weir im Kino angesehen, einfach weil er von Weir war. Besondere Sympathie habe ich für „Der einzige Zeuge“ (1985), der wohl nicht sein bekanntester Film ist. Deshalb kann ich hier wohl noch ein paar Worte über ihn verlieren.

www.filmstarts.de/kritiken/328.html#

Die Spezialität von Weir ist, die uns bekannte Welt aus einer fremden Perspektive zu betrachten. Er läßt auch gern zwei unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen. „Der einzige Zeuge“ ist ein Action-Krimi, der aber die meisten Genreregeln ignoriert.

Ein kleiner Junge beobachtet in einer amerikanischen Großstadt zufällig einen Mord. Als Augenzeuge ist er in Gefahr, von den Hintermännern des Verbrechens umgebracht zu werden, deshalb wird er schnell aus der Stadt gebracht. Er gehört zu den Amish-People, und dort soll er untertauchen, beschützt von einem Polizisten (Harrison Ford). Nach einer Weile stellt sich heraus, daß ausgerechnet der Polizeichef der Stadt in der Verbrecherorganisation steckt, die den Mord veranlaßt hat.

Aber wichtiger ist, daß jetzt ein Polizist aus der Großstadt bei diesen Amish-People lebt, eine religiöse (christliche) Gruppe, die mit der Zivilisation nichts zu tun haben will und jegliche Gewalt ablehnt. Die Amish sind sozusagen in der Zeit des 17. Jahrhunderts stehengeblieben, als sie aus Deutschland in die USA emigriert sind. Der Polizist hat es in dieser Gesellschaft schwer, und er selbst hält die Amish auch für nicht ganz zurechnungsfähig. Aber allmählich gewöhnen sich beide Seiten ein wenig aneinander. Der Polizist verliebt sich zudem in die Mutter des Jungen (Kelly McGillis). Das ist in der Amish-Welt natürlich erst recht ganz unmöglich, auch wenn sie Witwe ist.

Schließlich bekommt der Polizeichef heraus, wo sich der Junge versteckt hält, und schickt zwei Killer hin. Es folgt ein relativ konventioneller, aber sehr gut inszenierter Showdown. Ungewöhnlich ist er nur dadurch, daß er sich in den Landwirtschaftsgebäuden der Amish abspielt. Einer der beiden Killer wird durch das in einem Silo aufgestockte Mais getötet. Am Ende verläßt der Polizist die Amish und die Frau, weil die beiden Welten eben nicht zusammenpassen – und weil eine nicht erfüllte Liebesgeschichte natürlich ergreifender ist als ein plattes Happy End.

Toller Film, weil er durch seine vordergründige Krimihandlung sehr spannend ist, seine Faszination aber vor allem durch die einfühlsame Darstellung der Amish-Welt entwickelt, die völlig rückständig und merkwürdig anziehend zugleich erscheint. Der Film wirbt nicht für diese Welt, sondern stellt sie völlig nüchtern dar, auch in der Art, wie sie nicht mehr in die heutige Zeit paßt. Und wen dieser religiöse Hintergrund nicht interessiert, der hat trotzdem noch einen packenden – wenn auch eher zurückhaltend inszenierten – Krimi mit Ford und auch Danny Glover.
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